Die Mischung macht es auch auf der Frankfurter Buchmesse, wo sich kleine regionale Verlage neben den Großverlagen behaupten. Foto: dpa

Unruhig ist das Geschäft auf der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr. Die Verlage brechen auf, sortieren sich um und produzieren Brezelorakel oder lesenswerte Bücher über chinesische Straßenlaternen.

Frankfurt/Esslingen - Bücher sind Freunde, Begleiter und Spiegel. Am Morgen in der Halle 3 der Frankfurter Buchmesse sind sie ein Geschäft, das noch nicht ausgeartet ist. Noch kann man durch die Gänge gehen, ohne umgerannt zu werden von Agenten und Vertrieblern, noch ist überhaupt Zeit, sich die Bücher anzuschauen und Gespräche darüber zu führen.

In Halle 3, wo die großen Flaggschiffe von Suhrkamp oder Insel ihre Segel blähen, segelt die kleine Jolle des Esslinger Drachenhaus-Verlages der Zukunft entgegen. Der Stand von Nora Frisch ist sicherlich gleichzeitig der schönste Teepavillon der Messe. Der Verlag aus Esslingen hat in diesem Jahr das bisher größte Programm seiner Geschichte im Angebot, und noch dazu zwei Preise eingeheimst. Cao Wenxuan, einer der bekanntesten Jugendbuchautoren der chinesischen Gegenwartsliteratur, hat mit „Bronze und Sonnenblume“ den Hans-Christian-Andersen-Preis gewonnen, das vegane chinesische Kochbuch des Verlages hat als bisher einziges seiner Art den World Cookbook Award ergattert. Warum ausgerechnet jetzt der Verlag so viel macht, begründet Nora Frisch echt chinesisch: „Wir sind halt im Jahr des Affen.“

Ein Affe als Held von Bildergeschichten

Neu ist eine kleine Reihe von Bildergeschichten. Der Held ist ein Affe, der Kindern und Erwachsenen, die Spaß an gut gezeichneten Geschichten haben, die chinesische Kultur vermittelt. Er zeigt, wie man mit Stäbchen isst, oder sich damit den Rücken kratzt, und er zeigt unter anderem, wie man eine chinesische Teezeremonie beginnt.

Im Programm hat Nora Frisch auch einen Bildband mit Karikaturen von Friedrich Schiff, einem Wiener Juden, der in den 1930er Jahren nach Shanghai emigrierte und nicht nur beeindruckende Kohleporträts der Shanghaier Bevölkerung schuf. Er setzte sich auch sehr pointiert mit sozialkritischen Themen auseinander. Ein ganz merkwürdiges Kinderbuch ist ebenfalls von Cao Wenxuan. Da geht es um die Straßenlaterne Nummer 8, ein stoischer Beleuchtungskörper, der aufmerksam beobachtet, wer alles in seinen Lichtkreis tritt.

Aufgebrochen ist auch der Tübinger Silberburg-Verlag. Das Unternehmen habe sich personell verkleinert und das Programm von etwa 70 Titeln auf 50 Titeln reduziert, berichtet der Verleger Titus Häussermann, der unter anderem mit Natur- und Wanderführern, Bildbänden und Lokalkrimis sein Geschäft macht. Daneben tut er aber auch ein paar bemerkenswerte Dinge: Zwei Nürtinger haben ein Maultaschen-Kochbuch herausgebracht, bei dem es nicht nur darauf ankommt, wie man Maultaschen macht, sondern was man damit macht. „Ich glaube, sie hatten sich als Studenten hauptsächlich von Burger-Maultaschen ernährt“, begründet Titus Häussermann die Symbiose von Autor und Fotograf. Henning Drews und Daniel Jüttner zeigen, wie man Maultaschen-Spießchen, oder Maultaschen à la Currywurst kredenzt, ohne dafür den ganzen Tag in der Küche zu stehen. Eine echte Esslinger Entdeckung hat der Journalist Eberhard Neubronner gemacht, der die Biografie des völlig unbekannten Esslinger Tüftlers und Entdeckers Johann Samson Mayer schrieb. Letzterer beglückte seine Zeitgenossen mit Frostbeulen-Balsam und innovativem Stiefelfett. Mag man diese Erfindungen ein wenig belächeln, so hat seine revolutionäre neue Feuerspritze, eine Reaktion vielleicht auch auf die großen Stadtbrände in Württemberg im 18. Jahrhundert, etliche Menschenleben gerettet.

Der Goettle-Krimi spielt am Federsee in Bad Buchau

Mit seiner humorvollen und ziemlich unverwechselbaren Art hat der Esslinger Autor Olaf Nägele seinem Krimi-Pfarrer Goettle einen weiteren Todesfall auf den Altar gelegt. Der Roman spielt am Federsee in Bad Buchau, wo es den Teilnehmern mit einer Rulaman-Kräuter-Therapie an den Kragen geht.

Ewigen Verdienst aber hat sich der Verlag erworben mit einem Brezel-Orakel-Buch, das mindestens genauso seriös ist, wie alle anderen Zweige der Orakelei wie Horoskope und Tarot, die Zeitschriften und Bücherregale bevölkern. Aus Form, Farbe und Salzhaltigkeit des schwäbischen Frühstücksgebäcks lasse sich der Verlauf des nachfolgenden Tages ziemlich zuverlässig voraussagen, sagt Titus Häussermann ziemlich zuverlässig voraus.

Wird das Schwäbische und damit die Kundschaft seines Regional-Verlages aussterben? „Ich glaube, dass man nach einem ganzen Tag Globalisierung abends auf der Couch etwas Schwäbisch braucht“, begründet Titus Häussermann sein besonderes verlegerisches Engagement.

Nicht aussterben wird die Literatur und schon gar nicht totzukriegen ist die Lenninger Galerie Treibart von Ingrid Wiche, die in Halle 4 ihre Buchkunst anbietet. In diesem Jahr hat sie erstmals in ihrer Vitrine Platz gemacht für einen zweiten Künstler. Es ist der 15-jährige Lenninger Niels Hoffelner, der ganz erstaunliche Sachen produziert. Aus Zahnrädern, Fahrradketten oder dem Gelenk einer Rebschere sägt, feilt und schneidert er ziemlich steam-punkige Bucheinbände, die aber als echte künstlerische Unikate auch ihren Preis haben. „Sie sind noch jung, Sie brauchen das Geld für Möbel“, sagt Ingrid Wiche zu einer noch nicht 30-jährigen Frau, die von den Hoffelnerschen Büchern ganz begeistert ist und probeweise an den Zahnrädern dreht. Aber auch Wiche selbst arbeitet unermüdlich an der Buchkunst. Sie hat ihre kugelrunden Blättersammlungen „Kopfball-Bücher“ getauft, in denen sie mit provokanten Sprüchen zum Nachdenken anregen will und nach Recht und Demokratie fragt.

Eine Reihe mit Reiseabenteuern von Mair-Dumont

Neu gestaltet hat Mair-Dumont aus Ostfildern seine Marco Polo Reihe. Die Reiseführer sind jetzt eingebettet in ein Netz von kostenlosen Apps, damit die Reiseführer stets auf dem Laufenden bleiben. Darüber hinaus hat der Verlag seine Reihe mit Reisebildbänden ausgeweitet und mit dem Band „Unterirdisch“ einen sehenswerten Streifzug durch die subplanetaren Regionen deutscher Städte gemacht. Mit dabei ist das Bunker-Hotel in Stuttgart, das Achim Zweygarth fotografierte. Weil die schönsten Reisen oft im Kopf stattfinden, hat der Verlag unter dem Namen „Welt, Menschen, Abenteuer“ eine Reihe mit Reiseabenteuern geschaffen.

Mit seinem lustigen schwarzweißen Bildband „Frauen auf Bäumen“ hat er den Hingucker der Saison gelandet: Aufgebrochen ist auch der altehrwürdige Hatje Cantz Verlag in Ostfildern. Er reist, wie es scheint, in dieser Saison auf Pferderücken. Sein wichtigster Ausstellungskatalog begleitet eine Ausstellung in Basel zu Kandinsky, Franz Marc und dem Blauen Reiter, außerdem hat er einen Bildband des Esslingers Dieter Blum über die Marlboro-Cowboys im Programm. Doch nicht nur mit Büchern geht dieser Verlag auf die Reise. Er hat in diesem Jahr Teile der Produktion von Ostfildern-Kemnat nach Stuttgart Untertürkheim verlagert.