Francis Bacon in seinem Atelier Foto: Edward Quinn

Stuttgarts Staatsgalerie ehrt den 1992 gestorbenen britischen Jahrhundertkünstler Francis Bacon mit einer umfangreichen Schau. Bohèmien, scharfer Analyst, Dandy – in einem eigenen Raum ist auch eine Filmdokumentation zu sehen, die Bacon in der ganzen Vielseitigkeit der von ihm verköperten Rollen zeigt.

Stuttgart - Es ist eine Sternstunde für die Staatsgalerie Stuttgart: 1985 präsentiert der damalige Direktor Peter Beye dem staunenden Publikum eine Schau zum Gesamtwerk des britischen Jahrhundertmalers Francis Bacon. Eine Ausstellung voller Abgründe, gehängt als Feier des singulär Schönen – und mittendrin Francis Bacon: ein kantiger Typ, ein Weltstar in jenen Tagen, ein Herr, der doch zugleich einen ganzen Ausstellungssaal im ein Jahr zuvor eröffneten Neubau James Stirlings zum Lachen anstiften kann.

Aktueller denn je

31 Jahre später ist die Bildwelt des 1992 gestorbenen Francis Bacon aktueller denn je – und erneut in der Staatsgalerie zu Gast. Internationale Ausstellungen jagen sich – da braucht es mehr als eine klare Konzeption, um öffentliche und private Leihgeber zu überzeugen, die Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Staatsgaleriedirektorin Christiane Lange hat solch ein Thema gesetzt. „Unsichtbare Räume“ ist die Schau betitelt, die noch bis zum 8. Januar zu sehen ist.

Langes Stellvertreterin, Ina Conzen, hat das Projekt erarbeitet. Etwas sperrig im Titel, weist die Schau doch auf einen Kernpunkt in Bacons Bildfindung: Für uns Betrachter sehr wohl in ihrer Konstruktion sichtbar, bewegen sich die Menschen in Bacons Szenarien in für sie nicht wirklich fassbaren Konstellationen – auf offener und zugleich verhängter Bühne, in offenen und doch ständige Unsicherheit provozierenden Räumen.

Nicht immer ist in der Begegnung mit solchen Bildwelten das Erleben einer filmischen Annäherung hilfreich. Melvyn Bragg indes gelang 1985 – im Jahr des großen Bacon-Auftritts in Stuttgart – für die „The South Bank Show“ ein Streifen, der in „Francis Bacon. Unsichtbare Räume“ zu sehen und unbedingt zu empfehlen ist. Diese Dokumentation ist ebenso ein Lehrstück über die Erwartungen des Kulturbetriebs an seine Helden wie über das Spiel des ständigen Ausweichens des Künstlers, der doch zugleich die offene Provokation nicht scheut.

Bohèmien, Spieler, Abenteurer

Bacon der Bohemien, Bacon der Spieler, Bacon der Abenteurer – in jeder Minute schlüpft der Maler in eine neue Rolle. Melvyn Bragg folgt ihm, auch, indem er selbst zunehmend den Dandy gibt. Und Bragg folgt Bacon auch an einen Ort, an dem der Maler so etwas wie einen zweiten Beruf ausübt.

Bar-Präsenz gegen Bezahlung. Und Bacon liefert – über Jahrzehnte zieht er das Publikum an. Braggs Kamerateam zeigt, weshalb. Von einer Sekunde zur anderen verwandelt sich der eben noch steif und störrisch auf seinem Stuhl sitzende Künstler in einen Charmeur erster Güte. Und sofort reagiert das Publikum draußen auf diese Stimmung, will an ihr teilhaben.

Kunstgenuss zu Neujahr

An Bacons Bildwelt teilhaben kann man in der Staatsgalerie noch bis zum 8. Januar, am 5. Januar um 18 Uhr wiederholt Ulrich Blanché von der Universität Heidelberg seinen viel beachteten Vortrag „Francis Bacon – Von Affen und Päpsten“ (Metzler-Saal im Altbau). Eine Zusatzführung durch die gemeinsam mit der Tate Liverpool realisierte Schau gibt es an diesem Freitag um 15 Uhr. An diesem Samstag ist die Staatsgalerie von 10 bis 14 Uhr geöffnet, am Neujahrssonntag von 12 bis 18 Uhr.