Koppelgeschäfte bei Konzessionsvergaben sind für die EnBW offiziell tabu Foto: dpa

Ein EnBW-Lobbyist ist bereits verurteilt worden, weil er versucht hat, die Gemeinde Neckartenzlingen zu bestechen. Diese fragwürdige Methode der Kundenpflege scheint kein Einzelfall gewesen zu sein. Offenbar sind nun Listen aufgetaucht, die diesen Verdacht schüren.

Stuttgart - Ist es beim Energiekonzern EnBW gängige Praxis gewesen, kommunale Entscheidungsträger bei Konzessionsvergaben durch Zusatzangebote für sich gewogen zu stimmen? Dieser Frage geht die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen einen EnBW-Lobbyisten nach, der kürzlich in zweiter Instanz wegen versuchter Bestechung verurteilt worden war. Wie eine Sprecherin der Anklagebehörde bestätigte, wird bereits seit längerer Zeit gegen namentlich nicht genannte Verantwortliche des Konzerns ermittelt; mit Ergebnissen sei in den nächsten Monaten zu rechnen. Der Hintergrund des Verfahrens sind offenbar auch Unterlagen, die bei einer Durchsuchung bei der EnBW sichergestellt wurden. Diese deuten darauf hin, dass fragwürdige Methoden der Kundenpflege nicht nur in dem vor Gericht gelandeten Einzelfall angewendet wurden.

Das Stuttgarter Landgericht hat den EnBW-Lobbyisten, einen früheren Bürgermeister einer Kommune auf der Schwäbischen Alb, Mitte September in zweiter Instanz wegen versuchter Bestechung verurteilt. Allerdings reduzierte es die Zahl der Tagessätze von 180 auf 170, wodurch sich die Geldstrafe von 27 000 Euro auf 25 000 Euro verringerte. Der für ein EnBW-Subunternehmen tätige Mann soll dem Bürgermeister von Neckartenzlingen (Kreis Esslingen) eine Zusatzleistung in Aussicht gestellt haben, wenn die Gemeinde die Konzession an die EnBW vergebe: Sie dürfe für ein Fest kostenlos den riesigen Sonnenschirm des Konzerns nutzen, der einen ganzen Platz überspanne; die reguläre Leihgebühr dafür beträgt mehrere tausend Euro. Um den Zusammenhang nicht sichtbar werden zu lassen, sollte ein gewisser zeitlicher Abstand zur Entscheidung des Rats eingehalten werden, empfahl der Lobbyist. Die Gemeinderäte on Neckartenzlingen entschieden sich letztlich jedoch für ein Konkurrenzunternehmen, der Bürgermeister zeigte den EnBW-Vertreter bei der Staatsanwaltschaft an.

Nicht die EnBW steht vor Gericht

Nicht die EnBW stehe vor Gericht, sondern nur ihr Mandant, hatte die Verteidigerin in dem Verfahren betont. Doch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft vermutet hinter dem Einzelfall ein System. Entsprechende Berichte aus der Verhandlung bestätigte die Behördensprecherin. Die bei der EnBW sichergestellten Unterlagen belegen demnach detaillierte Überlegungen, wie der Konzern bei Konzessionsvergaben mit „schwierigen” Kommunen umgehen wollte. Wenn die Zustimmung zu einem neuen Vertrag fraglich sei, sollten „Dienstleistungen in besonderem Maße“ angeboten werden.

Dazu wurden Listen mit Gemeinderäten geführt, in denen auch Beruf und persönliche Vorlieben verzeichnet waren. Neben dem großen Sonnenschirm sollten etwa VfB-Karten oder Elektroroller offeriert werden. Dies habe sich die EnBW pro Jahr mehr als 300 000 Euro kosten lassen, sagte die Anklagevertreterin in dem Prozess. Neckartenzlingen den Schirm anzubieten, hatte nach ihrer Überzeugung „Methode“.

EnBW hat Genehmigungsprozess für Spenden eingeführt

Neckartenzlingen habe allerdings nicht auf der Liste der schwierigen Gemeinden gestanden, hatte die Verteidigerin betont. Sie hatte einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert. Inzwischen wurde gegen das Urteil Revision eingelegt, wie eine Sprecherin des Landgerichts bestätigte; zur Begründung war von der Anwältin zunächst keine Auskunft zu erhalten. Die EnBW verwies auf Anfrage auf das laufende Verfahren; deswegen könne man sich nicht zu Details der Ermittlungen äußern. Im Zusammenhang mit dem Verfahren habe das Unternehmen „die Ermittlungen jederzeit unterstützt“, teilte ein Sprecher aber mit. Vor einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktion im Juli 2012 sei die Staatsanwaltschaft allerdings „zu keinem Zeitpunkt mit einem entsprechenden Auskunftsersuchen an uns herangetreten“.

Grundsätzlich betonte der Sprecher, die EnBW und ihre Tochter Netze BW verstehe sich als Partner der Kommunen. „Es entsprach und entspricht nicht unserem Verständnis von fairer Partnerschaft, Konzessionsentscheidungen regelwidrig mit anderen Sachverhalten zu verknüpfen.“ Um „die Abläufe zu optimieren“, habe man bereits 2012 einen Genehmigungsprozess für Spenden und Sponsoring eingeführt. Diese seien demnach „nur unter klar festgelegten Voraussetzungen zulässig“. Sie müssten zudem vom Compliance-Bereich der EnBW für die Einhaltung von Regeln genehmigt werden. Im kommunalen Bereich gelte dies bei Engagements in Städten und Gemeinden oder mit ihnen verbundenen Einrichtungen, aber auch für Vereine oder andere Institutionen, die mit Amtsträgern in Verbindung gebracht werden könnten.