Euro-5-Diesel dürfen wohl bald nicht mehr überall fahren – es sei denn, sie sind nachgerüstet Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Es dürfte nur noch Tage dauern, bis das Kraftfahrtbundesamt weitere Diesel-Nachrüstsätze genehmigt. Damit wird für Autofahrer die Frage konkret, ob sie diese einbauen lassen sollen.

Stuttgart - Der Staat gibt Abgasanlagen frei, die Euro-5-Autos vor Fahrverboten schützen – Daimler und VW tragen Kosten, aber keine Risiken. Wir geben Antworten auf dringende Fragen. Wie geht es weiter mit dem Diesel?

Das Kraftfahrtbundesamt wird in Kürze Nachrüstlösungen für verschiedene Autohersteller, zum Beispiel Mercedes, zertifizieren. Was bedeutet das für die Autofahrer?

Für die Fahrer von Euro-5-Dieselautos bedeutet dies, dass sie von Fahrverboten verschont bleiben, wenn sie einen solchen Nachrüstsatz einbauen. Denn die Zertifizierung gibt es nur für Bausätze, die den vorgesehenen Grenzwert von 270 Milligramm Stickstoffdioxid pro Kilometer einhalten.

Für Euro-5-Fahrzeuge wurde ja damit geworben, dass sie sehr niedrige Schadstoffwerte aufweisen, die aber nur auf dem Prüfstand erreicht wurden. Sind nachgerüstete Diesel denn auch auf der Straße sauber?

Das jedenfalls ist nun die klare Anforderung der Behörden. Die Einhaltung der Schadstoffwerte wird in einem sogenannten RDE-Test überprüft, wie er auch für die Zulassung der neuesten Dieselmodelle vorgeschrieben ist. Hier wird der Ausstoß im realen Verkehr gemessen. Die Optimierung der Autos für bestimmte Prüfsituationen, die im realen Verkehr kaum vorkommen, macht somit für die Hersteller keinen Sinn mehr.

Wird ein Auto durch die Nachrüstung genauso sauber wie ein nagelneuer Diesel?

Nein, denn die Regeln zur Nachrüstung kamen durch einen Kompromiss zustande. Der Grenzwert von 270 Milligramm liegt deutlich über dem Wert von 180, den Euro-5-Diesel bei ihrer Zulassung einhalten mussten, meist aber nur auf dem Prüfstand erreichten. Neueste Euro-6d-Diesel dagegen müssen auch auf der Straße unter fast allen Umständen unterhalb von 168 Milligramm bleiben; viele erreichen heute bereits 30 Milligramm und weniger. Euro-5-Diesel werden durch die Nachrüstung aber wesentlich sauberer. Straßenmessungen über viele Hersteller hinweg ergaben für Euro-5-Diesel einen Durchschnitt um die 900 Milligramm. Das ist mehr als das Dreifache dessen, was nach der Nachrüstung erlaubt ist.

Welche Risiken gehen Autofahrer ein, wenn sie ihr Fahrzeug nachrüsten lassen?

Das wohl größte Risiko besteht darin, dass die Bausätze den täglichen Anforderungen nicht hinreichend gewachsen sein könnten. Ein Langzeittest des ADAC über 50 000 Kilometer ergab teilweise erhebliche Mängel bei der Haltbarkeit. Allerdings haben die Anbieter ihre Abgaskatalysatoren seither weiter entwickelt und verbessert. Das Kraftfahrtbundesamt schreibt vor, dass die Anlage 100 000 Kilometer oder fünf Jahre lang betriebsbereit sein muss.

Wer haftet, wenn die Anlage ausfällt?

Das Kraftfahrtbundesamt nimmt für Qualität und Haltbarkeit die Nachrüster in die Pflicht, nicht die Hersteller. Die Hersteller tun alles, um auch juristisch nicht in eine Haftung hineingezogen werden zu können. Daimler stellt den Nachrüstern im Unterschied zu anderen Herstellern aber immerhin kostenlos Daten und je einen Satz Bauteile zur Verfügung, mit deren Hilfe sie ihre Bausätze auf Mercedes-Fahrzeuge abstimmen können.

Steigt durch eine Nachrüstung der Dieselautos der Verbrauch?

Die stärkere Berücksichtigung des Ziels, den Stickoxidausstoß zu miniminieren, kann durchaus zulasten des Verbrauchs gehen. Laut den Vorschriften muss der Anstieg des Verbrauchs aber unterhalb von sechs Prozent bleiben.

Wer bezahlt für die Nachrüstung?

VW und Daimler bieten den Kunden in den sogenannten Schwerpunktregionen, zu denen auch die Region Stuttgart zählt, die Übernahme der Kosten von bis zu 3000 Euro an. Auf der neuen Daimler-Seite https://hw-zuschuss.daimler.com/#/start kann der Anspruch auf einen Zuschuss geprüft werden, der die Kosten einschließlich Einbau weitgehend abdecken dürfte. Andere Hersteller beteiligen sich nicht. So argumentiert BMW, nicht von Manipulationsvorwürfen und Zwangsrückrufen betroffen zu sein. Allerdings haben auch BMW-Modelle auf der Straße deutlich erhöhte Abgaswerte. Die Importeure wiederum erklären, sie seien als international tätige Unternehmen nicht in der Lage, hohe Kosten für eine weitgehend auf Deutschland beschränkte Aktion zu tragen.

Die Landesregierung will ja nun von Fahrverboten absehen. Lohnt sich vor diesem Hintergrund überhaupt eine Nachrüstung?

Die Pläne der Landesregierung beziehen sich lediglich auf flächendeckende Fahrverbote, wie sie für Euro-4-Fahrzeuge in Stuttgart bereits gelten. Sie plant stattdessen aber mit Sperrungen auf den großen Einfallstraßen, die gerade für Pendler ebenfalls mit erheblichen Einschränkungen verbunden sein können. Führen Streckenfahrverbote zu Ausweichverkehr, kann es gut sein, dass auch die Anwohner angrenzender Wohngebiete erfolgreich auf Fahrverbote klagen und sich die Regeln immer weiter in Richtung eines Flächenfahrverbots bewegen. Wer wirklich darauf angewiesen ist, mit seinem Euro-5-Diesel von, nach oder durch Stuttgart zu fahren, kommt daher an der Frage der Nachrüstung nur schwer vorbei.

Die Schadstoffwerte in Stuttgart sinken ja deutlich. Sind Fahrverbote überhaupt noch notwendig?

Das Bundesverwaltungsgericht hält flächenbezogene Euro-5-Fahrverbote in den Regionen für nötig, in denen der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft anders nicht schnell erreichbar ist, was höchstwahrscheinlich auch auf Stuttgart zutrifft. Um dennoch Fahrverbote zu vermeiden, hat der Bund im April ein Gesetz erlassen, das einen nationalen Schwellenwert von 50 Mikrogramm vorsieht, unterhalb dessen er flächendeckende Fahrverbote für unverhältnismäßig erklärt. Doch dieses Gesetz hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim bereits für nicht anwendbar erklärt, weil es dem höherrangigen EU-Recht widerspreche.

Wann ist mit einer rechtlichen Klärung der Notwendigkeit von Fahrverboten zu rechnen?

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat nun zum zweiten Mal ein Zwangsgeld gegen das Land verhängt, weil es noch keine flächendeckenden Fahrverbote in den Luftreinhalteplan aufgenommen hat. Hiergegen und auch gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim zum Gesetz mit dem Grenzwert 50 Mikrogramm wehrt sich das Land. Das Thema wird somit wohl erneut vor dem Bundesverwaltungsgericht landen. Falls es ganz günstig läuft, hat sich die Luft bis zur Entscheidung so verbessert, dass sich die Frage von selbst erübrigt.