Dieses Foto wurde laut der Nachrichtenagentur AP 2014 auf einer militanten Webseite gepostet und soll Kämpfer des sogenannten IS in der syrischen Stadt Al-Rakka zeigen. Foto: AP

Die Offensive auf das syrische Al-Rakka hat begonnen. In der Stadt sollen sich etwa 5000 Kämpfer der sogenannten Terrormiliz IS aufhalten. Doch was bedeutet diese Offensive? Fragen und Antworten.

Beirut - Die erwartete Offensive auf das syrische Al-Rakka hat begonnen. In der De-facto-Hauptstadt des sogenannten Islamischen Staats sollen sich rund 5000 Kämpfer der Terrormiliz aufhalten. Spannungen zwischen der Türkei und den Kurden könnten den Erfolg der Operation gefährden und dem IS letztlich Zeit verschaffen. Fünf Fragen und Antworten zur Offensive auf Al-Rakka:

Wer führt die Offensive an?
Die kurdisch dominierten Demokratischen Kräfte Syriens, kurz SDF genannt. Sie sind ein Zusammenschluss von kurdischen, arabischen und christlichen Kämpfern. Größte Teilfraktion sind die syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG, die die USA als effektivste Truppe im Kampf gegen den IS betrachten. Im Syrischen Bürgerkrieg haben sie bereits größere Gebiete im Nordosten Syriens von der Terrormiliz erobert. Die YPG wurden von der kurdischen PYD, der Partei der Demokratischen Union, ins Leben gerufen. Die Partei hat es sich zum Ziel gesetzt, kurdische Gebiete in Syrien zu verteidigen. Trotz gelegentlichem Auflodern von Gewalt ist die PYD im Syrischen Bürgerkrieg stillschweigend einen Nichtangriffspakt mit der syrischen Regierung eingegangen. Von einigen Rebellengruppen wird die Partei deshalb als heimlicher Verbündeter von Präsident Baschar al-Assad betrachtet. Die PYD dementiert das.
Was hat die Türkei gegen die Offensive?
Ankara betrachtet die PYD als den verlängerten Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Oft werden PYD und IS als gleichgroße Bedrohungen dargestellt. Türkische Einheiten und Tausende verbündete syrische Oppositionskämpfer haben ihre eigene Offensive im Norden Syriens begonnen. Dabei gerieten sie nicht nur mit dem IS, sondern auch mit der PYD aneinander. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat vorgeschlagen, dass seine Kräfte und deren Partner Al-Rakka befreien sollten. Die USA wollen, dass alle ihre Verbündeten - dazu zählt auch die Türkei - ihren Groll gegeneinander zumindest vorübergehend beiseitelegen, damit der Kampf gegen den IS problemlos ablaufen kann. Ob das gelingt, ist allerdings äußerst fraglich.
Wie lange dauert es, bis der IS aus Al-Rakka vertrieben worden ist?
Die Offensive wird wahrscheinlich Monate dauern. Nach Angaben der SDF liegt der Fokus in der Anfangsphase darauf, die ländlichen Gebiete rund um Al-Rakka einzunehmen, um die Stadt schrittweise zu isolieren. 30 000 Kämpfer sind dabei im Einsatz. SDF-Vertreter haben jedoch davor gewarnt, dass der Vormarsch unterbrochen werden könnte, wenn die Türkei mit ihren Verbündeten auf andere kurdische Gebiete vorrücken. Betrachtet man die Rückeroberungsoffensive auf das nordirakische Mossul, dürfte auch hinsichtlich Al-Rakka klar sein, dass der Kampf gegen den IS ein langwieriger und aufreibender werden wird. Drei Wochen nach dem Beginn der Mossul-Kampagne haben es die irakischen Kräfte bislang lediglich geschafft, in den östlichen Rand der Stadt vorzudringen. Der IS setzt sich mit Selbstmordanschlägen, Raketenangriffen und Sprengfallen zur Wehr.
Würde die Rückeroberung Al-Rakkas das Ende des IS bedeuten?
Schwer zu sagen. Klar ist: Der Verlust der De-facto-Hauptstadt ihres selbst ausgerufenen Kalifats würde einen schweren Schlag für die Terrormiliz darstellen. Al-Rakka ist ihre Schaltstelle der Macht. Wahrscheinlich sind hier die höchsten IS-Anführer untergebracht. Von der nordsyrischen Stadt aus sollen sie auch Terroranschläge auf den Westen geplant haben, darunter etwa denjenigen auf Paris vor einem Jahr.Der IS hat seine Mitglieder aber bereits auf den Verlust von Territorium vorbereitet. Wenn er sowohl aus Mossul als auch aus Al-Rakka vertrieben wird, würde es ihn vermutlich zu seinen aufständischen Wurzeln zurückbringen. Während die Vormärsche auf beide Städte laufen, wird erwartet, dass sich viele Kämpfer unter die Zivilbevölkerung mischen, um Schläferzellen aufzubauen, die zu einem späteren Zeitpunkt Anschläge verüben könnten.
Welche Auswirkungen hat die Offensive auf den syrischen Bürgerkrieg?
Der Konflikt zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen, die Assad stürzen wollen, hat sein Zentrum in der umkämpften nordsyrischen Stadt Aleppo. Der IS ist hier nicht präsent. Die syrische Regierung und ihr wichtigster Verbündeter Russland haben gelobt, den Druck auf die Rebellengebiete in Ost-Aleppo zu erhöhen. Wenn sie dabei Erfolg haben, könnten Tausende Regierungseinheiten möglicherweise an anderen Fronten eingesetzt werden, um dort etwa gegen den IS zu kämpfen. Das ist jedoch blanke Theorie. Seit dem Beginn des Bürgerkriegs vor mehr als fünfeinhalb Jahren war es Assad und seinen Allierten wichtiger, die syrischen Rebellen zu bekämpfen anstatt den IS. Es ist unwahrscheinlich, dass sich diese Haltung so bald ändern wird.