Reine Kopfsache: Zahlreiche Test widmen sich unseren geistigen Fähigkeiten. Foto: Fotolia

Die Vermessung des menschlichen Geistes schreitet voran. Doch was bedeuten eigentlich die Ergebnisse all dieser Tests?

Stuttgart - Wie hat sich die letzte der unzähligen Bildungsreformen auf die Problemlösungskompetenz der Schüler ausgewirkt? Passt das Persönlichkeitsprofil dieses Bewerbers zu der ausgeschriebenen Stelle? Und wie steht es eigentlich um die kognitiven Fähigkeiten des US-Präsidenten? Zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen gibt es ein riesiges Angebot an maßgeschneiderten Tests. So verdanken wir dem sogenannten Moca-Test unter anderem die Erkenntnis, dass Donald Trump ein Nashorn fehlerfrei von einem Kamel unterscheiden kann. Das Zeichnen eines Zifferblatts mit der Uhrzeit zehn nach elf bereitete ihm ebenfalls keine Probleme – wie auch die korrekte Lösung der übrigen Moca-Testaufgaben. Die Abkürzung steht für „Montreal Cognitive Assessment“, verspricht also eine Messung der kognitiven Fähigkeiten.

Ob man aus Trumps Testergebnis – 30 von 30 erreichbaren Punkten – tatsächlich auf die geistige Gesundheit des US-Präsidenten schließen kann, ist indes umstritten. „Die standardisierten kognitiven Screeningtests sind nur ein Teil der Untersuchung des gesamten kognitiven und mentalen Status. Sie sind weder gleichzusetzen mit einer Diagnose noch mit der Erkennung von mentaler Leistungsfähigkeit“, schreibt etwa der kanadische Psychiater Kenneth Shulman in einem Fachartikel. Ungeachtet solcher Einschränkungen erfreuen sich Psycho-, Persönlichkeits- und Intelligenztests großer Beliebtheit. Allerdings debattieren Experten bis heute darüber, was Intelligenz eigentlich ist. Eine ziemlich intelligente Antwort lieferte bereits 1923 der US-Psychologe Edwin Borin: „Intelligenz ist, was der Intelligenztest misst.“

Vorsicht beim unbedachten Blättern

Schöner kann man nicht sagen, dass das Ergebnis eines Tests maßgeblich davon abhängt, wie er aufgebaut ist. Eine wichtige Rolle spielen bisweilen auch die Erwartungen und Ziele der Initiatoren. So kann man bei den 200 Fragen der „Oxford Capacity Analysis“ von Scientology eigentlich ankreuzen, was man will. Am Ende kommt der Persönlichkeitstest, der mit der Eliteuniversität Oxford rein gar nichts zu tun hat, ziemlich sicher zu dem Ergebnis, dass man gewaltige psychische Probleme hat, die sich nur durch einen kostenpflichtigen Dianetik-Kurs lösen lassen – Gehirnwäsche inklusive. Sie würden doch auch keinem über den Weg trauen, der die Frage „Blättern Sie einfach zum Vergnügen in Eisenbahnfahrplänen, Telefonbüchern oder Wörterbüchern?“ mit Ja beantwortet. Ein Nein könnte allerdings auf pathologisches Desinteresse schließen lassen – und ein Weiß-nicht auf eine behandlungsbedürftige Entscheidungsschwäche. Mittlerweile ist der Scientology-Test aber etwas in die Jahre gekommen. Im Smartphone-Zeitalter weiß doch kaum noch einer, wie man gedruckte Fahrpläne, Telefon- oder Wörterbücher überhaupt bedient.

Deutlich seriöser ist der Big-Five-Persönlichkeitstest, der etwa im Personalwesen zum Einsatz kommt. Dabei werden Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus bewertet. Die meisten Fragen weisen aber so offenkundig in eine bestimmte Richtung, dass der Test als leicht manipulierbar gilt. Allzu viel schummeln sollte man trotzdem nicht. Spätestens beim Vorstellungsgespräch wird sich der Personalchef wundern, warum ihm anstelle des extrem kommunikativen Typs aus dem Test plötzlich ein wortkarger Nerd gegenübersitzt.

Psychologen sind Spielverderber

Aller Kritik zum Trotz sollten wir auch die positiven Aspekte des Testwesens nicht übersehen. So werden die Menschen immer schlauer. Zu diesem Schluss kommt man jedenfalls wenn man heutigen Probanden ältere IQ-Tests vorlegt. Sie schneiden dabei deutlich besser ab als Testpersonen aus früheren Jahrzehnten. Dahinter könne eine zunehmende Übung im Umgang mit derartigen Testaufgaben stehen, mutmaßen Experten. Damit im Durchschnitt wieder ein Intelligenzquotient von 100 herauskommt, werden die IQ-Tests regelmäßig angepasst. Diese Psychologen sind aber auch Spielverderber!

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