Es gibt einen Ratgeber, in dem Experten erklären, was Führungskräfte von Ameisen lernen können. Foto: dpa

Sind wir Menschen im Schwarm schlauer oder blöder? Ratgeberautoren sind uneins. Womöglich kann man von Ameisen oder Mäusen trotzdem etwas lernen, schreibt unser Kolumnist.

Stuttgart - Haben Sie auch den Eindruck, dass alles immer schneller geht? Seriöse Nachrichten und Fake News verbreiten sich in Sekundenbruchteilen auf der ganzen Welt. Smartphones und andere digitale Gerätschaften, die uns eben noch als Speerspitze des Fortschritts verkauft wurden, sind nach einem halben Jahr schon wieder veraltet und praktisch reif für den Elektroschrott. Politiker, die innerhalb weniger Wochen zu Heilsbringern hochgejubelt werden, stürzen in kürzester Zeit wieder ab. Die rasante Beschleunigung erfasst alle Lebensbereiche. Wer innehält, hat schon verloren. Angesichts der geradezu unmenschlichen Veränderungsgeschwindigkeit – sei es im Job oder im Privatleben – wenden sich viele der Natur zu. Allerdings muss man da erst mal hinkommen. Das ist leichter gesagt als getan, wenn sich alle gleichzeitig in ihren Hybrid-SUV setzen, um ins Grüne zu flüchten. So ein Freizeitstau ist zwar auch eine Form von Entschleunigung, wird aber in der Regel nicht als Erholung empfunden.

In der Natur laufen die Dinge allerdings auch nicht immer so langsam ab wie in den romantischen Vorstellungen vieler Stadtbewohner. Manches passiert dort draußen sogar unglaublich schnell. So schnappen die Mundwerkzeuge der Dracula-Ameise (Mystrium camillae) mit einer Geschwindigkeit von 90 Metern pro Sekunde oder 324 Kilometern pro Stunde zu, wie Forscher der Universität von Illinois im Fachblatt „Royal Society Open Science“ berichten. Das ist 5000-mal schneller als ein Lidschlag. Würden die Tiere diese Bewegung neben einer modernen Radarfalle ausführen, bekämen sie wahrscheinlich einen dicken Strafzettel. Die superschnellen Mundwerkzeuge verschaffen den Ameisen nach Ansicht der Wissenschaftler enorme Vorteile. Die Insekten nutzen sie zum Beispiel, um Beutetiere außer Gefecht zu setzen und anschließend in ihren Bau zu schleppen. Gut funktionierende Schnappwerkzeuge sind auch für Menschen wichtig, die im Großstadtdschungel überleben wollen. Gerade bei Sonderangeboten gilt es schnell zuzuschlagen, um der Konkurrenz am Wühltisch zuvorzukommen. Der frühe Vogel fängt den Wurm, heißt es. Andererseits kann es aus Sicht des Wurms manchmal auch von Vorteil sein, sich etwas mehr Zeit zu lassen – und dadurch dem Vogel zu entgehen.

Was Fach- und Führungskräfte von Ameisen lernen können

Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, bei den Ameisen (englisch: ants). Diese Insekten sollten wir uns viel öfter zum Vorbild nehmen, finden Ernst Kurzmann und Johannes-Paul Fladerer. Von ihnen stammt der Ratgeber „ManagemANT – was Fach- und Führungskräfte von Ameisen lernen können“. Darin geht es – Sie ahnen es wahrscheinlich – um die Vorzüge der Schwarmintelligenz, die nach Ansicht der Autoren in vielen Unternehmen noch nicht ausreichend genutzt werden. Auch gegenüber der Umwelt verhalten sich Ameisen mustergültig. Sie recyceln ihren kompletten Müll und verschwenden keine Lebensmittel. Und obwohl eine einzelne Ameise nicht sonderlich viel in der Birne hat, schaffen sie es gemeinsam, komplexe Staaten zu formen, in denen alle wissen, was sie zu tun haben.

Es gibt aber auch Stimmen, die am Nutzen der Schwarmintelligenz in Unternehmen zweifeln. Zu ihnen zählt Gunter Dueck, einst Cheftechnologe beim Computerriesen IBM. Als Einzelperson seien wir klug und stark, „aber als Team spinnen wir“, schreibt Dueck in seinem Buch „Schwarmdumm – So blöd sind wir nur gemeinsam“. Tatsächlich kommt außer Protokollen für die Schublade oft nicht viel heraus, wenn sich Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen zu stundenlangen Meetings zusammensetzen, um ganz spontan kreativ zu sein.

Soll also doch lieber jeder selber vor sich hinwerkeln, um optimale Ergebnisse zu erzielen? Wir wissen es auch nicht. Vielleicht hilft ja ein Blick in einen der zahlreichen anderen Management-Ratgeber. Wie wäre es zum Beispiel mit der „Mäuse-Strategie“, die sich auf die einfache Formel verkürzen lässt: „Folge dem Käse!“ Allerdings sollte man sich auch dabei nicht zu lange Zeit lassen. Sonst stößt vorher ein Trupp Dracula-Ameisen Ameisen auf die fette Beute und schnappt sie ultraschnell weg.