Irgendwann ist die Platte voll – was dann? Foto: dpa

Die Verflachung schreitet rasant voran. Doch unser Planet ist und bleibt ein kugelförmiges Gebilde. Auch wenn das manche immer noch nicht glauben.

Stuttgart - Es gibt immer noch Menschen, die glauben, die Erde sei eine Scheibe. Sie haben sogar eine Organisation gegründet, die alle Welt an ihren Überzeugungen teilhaben lässt: die Flat Earth Society. Auf deren Website werden etliche Argumente für eine flache Erde aufgeführt. Etwa die Tatsache, dass der Horizont einem auf der Erde stehenden Beobachter als gerade Linie erscheint – ebenso wie die Oberflächen von Gewässern. Dass man die Krümmung der Erdkugel aus dem Weltall sehr gut sehen kann, führen die Flacherde-Anhänger auf perfide Bildmanipulationen einer weltweiten Verschwörung zurück, die bereits bei der Vortäuschung der Mondlandung ihre Finger im Spiel gehabt haben soll. Auch die Fassaden nebeneinanderstehender Hochhäuser – so ein weiteres Argument – könnten auf einer kugelförmigen Erde unmöglich so parallel verlaufen, wie sie es augenscheinlich tun.

Solche subjektiven Eindrücke hängen in erster Linie damit zusammen, dass die Erde eine verdammt große Kugel ist – und ihre Krümmung entsprechend gering ausfällt. Doch das lassen die Flacherdler nicht als Gegenargument gelten – ebenso wenig wie die Tatsache, dass kein Mensch jemals die Mauer gesehen hat, die ihrer Theorie nach die Erdscheibe irgendwo hinter der Antarktis begrenzt. Trotzdem gefallen die Ideen der Flat Earth Society bei Facebook mehr als 200 000 Nutzern. Dass Facebook und andere Internetriesen ihre Daten auch über Satelliten übertragen, welche die Erde umkreisen (was bei einer Scheibe nicht wirklich gut funktionieren würde), scheint niemanden aus dieser Szene zu kümmern.

Muntere Vermehrung

Eine flache Erde würde aus dem Weltraum einer Petrischale ähneln. Das sind die kleinen Kunststoffschälchen, in denen Forscher Bakterien und andere Mikroben züchten. Den Boden der Petrischale bedeckt ein Nährboden, der ihre Bewohner mit allen lebenswichtigen Stoffen versorgt. Sind die Bedingungen gut – genug Nahrung, angenehme Temperatur und je nach Bedarf viel oder wenig Sauerstoff – vermehren sich die Einzeller kräftig und bedecken eine immer größere Fläche auf der Petrischale. So vermehren sie sich munter weiter, bis irgendwann die komplette Petrischale voll ist.

Dann wird es eng. Die Nährstoffe sind aufgezehrt und der Nährboden ist getränkt mit den wenig appetitlichen Stoffwechselprodukten der Mikroben. Wenn nichts weiter passiert, gehen sie jämmerlich zugrunde. Das Beispiel zeigt anschaulich, wie die massenhafte Vermehrung einer Spezies dazu führen kann, dass am Ende ihre eigenen Lebensgrundlagen zerstört werden. „Was für ein Glück, dass wir nicht in einer Petrischale leben, sondern auf einem Planeten!“, mag mancher jetzt mit Erleichterung denken. Doch auch auf einer Erdkugel – genau genommen handelt es sich um einen Rotationsellipsoid – gibt es nicht unbegrenzt Platz für Menschen und ihre Hinterlassenschaften. Und ist CO2 letztlich nicht auch eine Art Stoffwechselprodukt, das durch unseren Lebensstil entsteht?

Durchgeknallte Milliardäre

Wenn es auf einer Petrischale im Labor zu voll wird, kann man einfach mit einer Impföse Bakterien auf einen neuen Nährboden umsiedeln. Analog dazu wollen ein paar durchgeknallte Milliardäre aus dem Silicon Valley menschliche Kolonien auf dem Mond, dem Mars oder noch ferneren Himmelskörpern anlegen. Aber so viel Nahrung, Luft und Wasser wie die Erde uns fast zum Nulltarif zur Verfügung stellt, gibt es sonst wohl nirgends. Wir haben nur diese eine Petrischale.

Uns bleibt nicht viel mehr, als der Flat Earth Society für die Anregung zu diesem ziemlich platten Vergleich zu danken. Auch wenn die Erde keine Scheibe ist, lässt sich auf vielen anderen Feldern eine rasant fortschreitende Verflachung beobachten. Nicht nur Bildschirme werden immer flacher, sondern auch politische Debatten oder die Schlusspointen in Zeitungskolumnen.