Christoph Bangerter (li.) und Gideon Rapp in „Fracking“ Foto: Haymann

Das Alte Schauspielhaus zeigt die Politsatire „Fracking“ – es geht um die Tücken der Schiefergasförderung aus tiefen Erdschichten. Brisantes bekömmlich serviert: Das ist die Rezeptur von François Camus’ Inszenierung.

Stuttgart - Wenn ein Bühnenautor wie Alistair Beaton zur Premiere seiner Politsatire „Fracking“ im Alten Schauspielhaus anreist, ist das ein lebender Beweis dafür, dass man sich dort ums zeitgenössische Theater verdient macht. Umso besser, dass der 1947 in Glasgow geborene Schriftsteller der deutschen Fassung seines Stücks mühelos folgen kann. Schließlich übersetzte Beaton Werke von Bertolt Brecht ins Englische.

Was der Schotte am Freitagabend in Stuttgart zu sehen und zu hören bekam, dürfte ihm gefallen haben. Schließlich bringt der Regisseur François Camus dessen Werk über die Tücken der Schiefergasförderung aus tiefen Gesteinsschichten mittels hydraulischer Aufbrechung ganz im Sinne des Autors auf die Bühne: informativ, kurzweilig und darüber hinaus mit spielfreudigen Darstellern. Die Ausstatterin Martina Lebert punktet mit einem Interieur, das mal cooles Agenturloft, mal Cottage-Wohnküche oder Nobelrestaurant ist. Dort ordert der korrupte Lokalpolitiker Neville seinen Kaffee „schwarz, aber mit Milch“. Von dieser paradoxen Rezeptur lebt die Inszenierung, die Brisantes konzentriert und doch bekömmlich serviert.

Gespickt mit Kommentaren zur Gegenwart

Schon der Auftakt hat es in sich. Ein mit Bürgermeisterin, Energieunternehmer und PR-Team besetztes Podium spricht das Publikum als Besucher eines Infoabends an. Noch während Stephanie Theiß als Bürgermeisterin mit bedrohlicher Freundlichkeit gegen Störgeräusche aus den Lautsprechern kämpft und einen Experten begrüßt, reißt es eine rüstige Dame von ihrem Sitz. „Dieser Professor ist bestechlich“, ruft sie und wird unter Protest und vor laufenden Smartphone-Kameras aus dem Saal gebracht.

Uraufgeführt im Juli 2016, ist Beatons schwarze Komödie gespickt mit Kommentaren zur Gegenwart: Via Twitter und Youtube gehen Schnappschüsse und Videos viral und machen Nobodys zu Internetstars, ein Rentnerpaar leidet an der schwindenden Infrastruktur seines Dorfes und begehrt auf. Mit Anspielungen auf die Metoo-Debatte, den Brexit und Mutmaßungen über einen Rüstungsdeal als Gegenleistung für die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel reichert die Regie die Dialoge mit aktuellen Anspielungen an.

Niemand kommt ungeschoren davon

Die empörte Rentnerin Elizabeth, die zur Umweltaktivistin wird, mag das gute Herz von „Fracking“ sein, im Zentrum steht ein anderer. Das legt der Originaltitel „Fracked! Or: Please don’t use the F-Word“ nahe, auf Deutsch: „Abgefrackt! Oder: Bitte benutzen Sie das F-Wort nicht.“ Hier wird auf einen Konflikt zwischen dem PR-Berater Joe und seinem Kunden angespielt, dem Unternehmer Hal. Christoph Bangerter, den man als Mephisto in bester Erinnerung hat, macht den hyperaktiven Joe mit seiner Vulgärsprache zum Motor dieser bitterbösen Satire, in der niemand ungeschoren davonkommt.

Weder Jenny, Meisterin des zivilen Ungehorsams, noch ihr junger Freund, der esoterische Sam, und schon gar nicht der PR-Assistent Malik oder Elizabeths Mann Jack, der sein Rentnerleben so gerne mit Scrabble-Spielen verbringen würde, halten sich schadlos. Ulrike Barthruff spielt Elizabeth als besonnene Überzeugungstäterin. Ihr Sieg über die Energiefirma währt allerdings nicht lang.