Aus Heidelbergs Ratssaal sollen keine Fotos mehr verschickt werden. Foto: Stadt Heidelberg

Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner untersagt das Fotografieren und Posten während der Sitzungen.

Heidelberg - Sitzungen sind nicht durchweg spannend, das weiß jeder, der gelegentlich an solchen Treffen teilnimmt. Auch in Gemeinderäten gibt es Durststrecken. Doch im Zeitalter der Digitalisierung muss das kein Drama sein. Während sich die Debatten hinziehen und der oder die Fraktionsvorsitzende eine große Rede hält, vertreiben sich immer mehr Ratsmitglieder die Zeit mit ihren Smartphones. Man fotografiert sich selbst, die Vorlage oder auch den Kollegen drei Tische weiter, der gerade nicht ganz bei der Sache ist – und dann wird gepostet und kommuniziert, im Saal untereinander oder mit den Anhängern draußen und im weltweiten Netz, die informiert sein wollen.

„Jedes Mal, wenn sich zwei Leute über ein paar Tische hinweg ansehen und einer laut auflacht, weiß man: da war gerade wieder was“, verrät eine Heidelberger Stadträtin. Was da alles abgeht, wer weiß? Der parteilose Oberbürgermeister Eckart Würzner hat deshalb, wie jüngst bekannt geworden ist, die Mitglieder des Rats unter Berufung auf die Gemeindeordnung und die Verschwiegenheitspflicht schriftlich gemahnt, dass „Fotografieren, Posten und Veröffentlichen von Inhalten aus Sitzungen nicht zulässig sind“.

Die Grünen wollen das Verbot wieder aufheben lassen

Das wollten die Grünen so nicht stehen lassen und haben in einer Anfrage um eine nähere Begründung gebeten. Schließlich seien Ratssitzungen grundsätzlich öffentlich, nur in Ausnahmen könne man davon abweichen, monierten sie. Inzwischen liegt die Antwort des OB vor. In ihr weist er unter Bezug auf Paragraf 36 der Gemeindeordnung darauf hin, dass er als Sitzungsleiter das Hausrecht habe und für einen „ungestörten Ablauf“ verantwortlich sei. Gestützt auf die Vorschrift könne er das Anfertigen von Fotos untersagen.

OB beklagt Verletzung von Persönlichkeitsrechten

„Die Erfahrungen der letzten Zeit haben gezeigt, dass die während der Sitzung aufgenommenen Fotos später im Internet, zum Beispiel bei Instagram, auftauchen“, stellte der OB fest. Damit stünden „Verletzungen von Persönlichkeitsrechten im Raum“. Selbst Klagen seien nicht ausgeschlossen, wenn einer der Abgebildeten – und darunter fielen auch Bürgermeister – einem Foto nicht zugestimmt habe. Zudem, so Würzner, störe das Fotografieren die Aufmerksamkeit und damit die Sitzung: „Es erzeugt Ablenkung, wenn die Smartphones hochgehalten werden, und auch die aufnehmende Person ist abgelenkt und beschäftigt sich nicht mit dem Sitzungsverlauf.“ Auf der anderen Seite „wird ungezwungenes Auftreten eingeschränkt, wenn zu befürchten ist, dass Aufnahmen gemacht und ins Internet gestellt werden“, mahnte Würzner.

Ob damit das letzte Wort gesprochen ist, ist offen. Der OB, der ansonsten immer so stolz sei auf die digitalen Errungenschaften der Stadt, lege hier „ein sehr antiquiertes Verständnis von Kommunikation“ an den Tag und „das Hausrecht sehr weit aus“, kritisierte Derek Cofie-Nunoo, der Sprecher der Grünen, der größten Fraktion des Rats. „Eine moderne Kommunikation aktuell aus der Sitzung heraus muss möglich sein. Wir bleiben auf jeden Fall dran an dem Thema.“