Farbiges Detail in grauer Stadt. Foto: Eva Hanewinckel

Im Foyer des K1 der Universität Stuttgart sind 1200 Bilder und mehr als 30 Bücher von Studierenden zu sehen. In der Werkstatt für Photographie haben sie einen neuen Fokus auf Architektur und Stadt geworfen.

Stuttgart - Auf den ersten Blick erinnert er an einen Autoreifen. Doch der angeschnittene Bogen entpuppt sich als Gullideckel: Sein runder Rahmen zeichnet sich gegen die Schneedecke ab. Drumherum ziehen – Pinselstrichen gleich – diagonale und kreisförmige Reifenabdrücken ihre Bahn. Die Kreuzung ist ein Bild der Serie „31 Minuten“, die Sofia Carina Kerner am 17. Januar 2016 zwischen „09:28:14“ und „09:59:14“ Uhr in Stuttgart fotografiert hat, darin aus der Stadtlandschaft eine Welt voller Kontraste, Licht und Schatten, Horizontalen, Diagonalen und Vertikalen erschafft.

„Den ersten Schnee nutzte Sofia zu dem halbstündigen Foto-Spaziergang“, weiß Boris Miklautsch. Der Diplom-Ingenieur leitet die Werkstatt für Fotografie an der Uni Stuttgart, die zur Fakultät 1 „Architektur und Stadtplanung“ gehört. Dort, am Institut für Darstellen und Gestalten, sind in zwei von Miklautsch’ Lehrveranstaltungen Kerners poetische Bilder entstanden – und die von 29 weiteren Architekturstudenten. Unter dem Titel „Immer in Aufnahmebereitschaft/Fotografie vor dem Hintergrund von Architektur und Stadt“ lichteten sie hauptsächlich Stuttgarts Straßen, Bauten und Menschen, aber auch die ihrer Heimatgemeinden ab. Die Bilder sind in Büchern und einer Ausstellung im Foyer des K1 der Uni Stuttgart zu sehen. 1200 Fotografien und über 30 Fotobücher, die Stadt und Architektur auf ungewohnte Weise zeigen.

Die nächsten Tage kann man die Fotobücher anschauen

Die Bände werden von Montag, 8. Januar, bis Freitag, 12. Januar, aus der Vitrine geholt, damit Besucher die Originale durchblättern können. Am Projektanfang seien indes nicht die Bücher gestanden, sagt Miklautsch, sondern das Fotografieren und das Finden von Ideen und Perspektiven. „Das Konzept war, ein halbes Jahr lang ständig eine Kamera bei sich zu tragen und täglich, was man im Alltag entdeckt, aufzunehmen.“ Daraus habe sich dann das Format der Schau und der Bücher ergeben. Wie etwa bei Gilles Muller von Götz, der neben „35 mm Stadt“ auch „Stadt 1:3“ zeigt. Da der Student lediglich ein 35-mm-Objektiv zur Verfügung hatte, entdeckte er Stuttgarts Durch-, Aufgänge und Fassaden leicht weitwinkelig. Bekanntes wie Königsbau oder manches Schaufenster sind im extremen Querformat bildlich neu zu erleben.

Um Unbekanntes und Anonymität geht es Timo Hansen. Er stellt seinen Arbeiten das Gedicht „Augen in der Großstadt“ von Kurt Tucholsky voran. Dort heißt es: „Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen . . . da zeigt die Stadt dir asphaltglatt im Menschentrichter Millionen Gesichter. Zwei fremde Augen . . . was war das? Vielleicht dein Lebensglück . . .“ Entsprechend startet Hansen auf dem Cover mit den Beinen eines Mannes im Stuttgarter Bahnhof, verfolgt weitere über eine Straße und mündet in milchigen Aufnahmen von Schatten.

Bunte Details in grauer Stadt

Wie vielfältig die Individuen Stuttgarts sind und wie sie leben, das zeigt Sarah Jansen in ihrer Doppelserie „Stadtmensch“ und „Stadtraum“, während Maren Teresa Sänger mit „Von außen nach innen“ Orte im Stuttgarter Westen kombiniert. Sie scheinen zusammenzugehören, sei es durch Farbe, Linien, Architekturelemente oder Wandstrukturen, befinden sich aber in verschiedenen Straßen.

Die Kolorite ihrer „farbigen“ Heimatstadt Dinkelsbühl kombiniert Eva Hanewinckel mit jenen des ihr unbekannten „hellbeigen“ London und ihrer „grauen“, aber in Baudetails bunten Studienstadt Stuttgart. Marion Roth richtet ihren Blick bewusst auf Dinge, an denen der Passant sonst vorbeihetzt. So stellte sie eine zugemauerte Tür mit vermoosten Treppen neben eine vergitterte, blickt auf Fassaden aller Art und aus einem Rollgaragentor auf vorbeihuschende Menschen. Wie schreibt sie zu den Konturen, Farben und Spuren, die sie beim Einkaufen, Warten auf die Bahn, auf dem Weg zu Post oder Uni entdeckte? „Ein unendlich reicher Schatz an Szenen und Motiven.“ Das gilt für die gesamte Ausstellung.

Einsicht in die Fotobücher: Montag, 8.1. bis Freitag, 12.1.2018, von 12 bis 14 Uhr. Öffnungszeiten K1, Keplerstraße 11: Montag bis Freitag 7 bis 21 Uhr, Samstag 8 bis 19 Uhr , Sonntag und Feiertag 9 bis 18 Uhr.