Wie aus einer anderen Welt: Den Nasendoktorfisch hat Stefan Brusius im Aquarium fotografiert. Foto: Stefan Brusius

Stefan Brusius hat sich aufs Fotografieren von Tieren spezialisiert. Keine leichte Aufgabe, denn die Models halten nur selten still.

S-Nord - Oft wartet er stundenlang – den Finger immer am Auslöser. Stefan Brusius ist Tierfotograf. Seine Fotos sollen sein Modell in einem ganz bestimmten Augenblick zeigen und dem Betrachter dabei auch noch in die Augen blicken. Deshalb heißt die Ausstellung der 53 klein- und großformatigen Kunstfotos, die derzeit im Theaterhaus zu sehen sind, „Augenblick“. Auf Tiere hat sich der 57-jährige spezialisiert, weil „ich sie mag“. Aber warum, mit wenigen Ausnahmen, der Blick in die Augen des Tiers? „Weil dadurch bei mir und auch anderen Betrachtern etwas passiert. Es kommt zur Zwiesprache mit dem jeweiligen Tier“, sagt Brusius.

Seine Models findet der Esslinger Fotograf in der freien Wildbahn in Afrika, Asien oder Island, aber auch in deutschen Zoos. In der Stuttgarter Wilhelma kennt man den Mann schon, der stundenlang mit seiner Profikamera vor einem verglasten Raubtiergehege oder dem meterlangen Aquarium steht. Tage hat es gebraucht, bis er dort den zitronengelben Kugelfisch frontal und in Augenhöhe im Kasten hatte, und Mut, rücklings unter einer Kuh im Allgäu auf dem Boden liegend auf den richtigen Augenblick zu warten – zumal hinter der Kuh die gesamte Herde angetrabt kam. „Dabei hatte ich ein sehr mulmiges Gefühl“, gesteht Brusius und zeigt auf das 1,50 x 1 Meter große Foto: vorn die Leitkuh und dahinter wie arrangiert zwei Kühe rechts und zwei Kühe links. Nicht weniger gefährlich: die Aufnahme eines Nashorns, das in freier Wildbahn mit gesenktem Kopf auf ihn los stürmt. Und zwei Tage stand er in Island auf einer Klippe mit kaltem Finger am Auslöser, bis er einen Papageientaucher richtig erwischt hatte. Brusius: „Dass ich mich dem aussetze, ist Jagdleidenschaft nach einem Bild, das etwas erzählt.“

Produziert sind die Fotos auf Acryl. „Dadurch erhalten sie mehr Strahlkraft“, sagt Brusius. Und manche Fotos, wie der grell bunte Nasendoktorfisch, der grasgrüne Korallenfingerfrosch oder das Vierauge haben etwas Unwirkliches, Phantastisches. Das großformatige Bild „Vierauge“ wurde bei dem Fotowettbewerb „Blende 2016“ mit einem 2. Preis ausgezeichnet – eingereicht worden sind 78 000 Fotos – und vor Kurzem auf der Photokina gezeigt.

Die Kröte wurde vor dem Shooting gewaschen

Zum Fotografieren kam Brusius, der Diplom-Ingenieur ist, durch die Digitalfotografie. „Ich wollte neben meinem Beruf noch etwas Kreatives machen. Malen, das kann ich nicht. Aber Fotografieren passt zu mir, weil es mit Technik zu tun hat“, sagt er. Angefangen hat er mit dem Fotografieren seiner eigenen Tiere: unter anderem seinem Chamäleon und dem Korallenfingerfrosch. Der kleine Kerl musste mit einer Wechselkröte konkurrieren, die Brusius in einem Hotelzimmer in Venedig entdeckt hatte. Bevor er die fürs Foto-Shooting vor die weiße Tapete auf den weißen Nachtkasten setzte, hat er sie erst mal in der Badewanne gewaschen, damit die Marmorierung gut auf dem Foto zu erkennen ist. Die Prozedur soll ihr nicht geschadet haben. „Nach der Sitzung ist sie munter davon gehüpft“, versichert Brusius. Für seinen zappeligen Frosch hat er eine Papierwanne gebastelt – und wieder hat es gedauert, bis der in der richtigen Position fürs Klick war. „Die Augen müssen scharf sein. Und oft sind es über hundert Fotos, bis alles stimmt“, sagt Brusius. Nur auf zwei seiner Fotos gucken die Modelle den Betrachter nicht an: zwei Löwen, kurz vor der Paarung. schauen sich an. Und der Nasendoktorfisch, der frontal nicht so gut wirkt.

Natürlich verkauft Brusius seine Werke auch – und wundert sich darüber, wer welches Bild warum kauft. Das Foto eines Alpakas, das einen Ast so im Maul hat als wäre es ein Zigarillo, habe ein Mann mit der Begründung gekauft: „Es sieht meinem früheren Chef so ähnlich.“ Wegen „einer gewissen Ähnlichkeiten mit Freunden und Verwandten“ würden die Bilder häufig gekauft, sagt Brusius. Und tatsächlich hat der Gesichtsausdruck der Tiere oft etwas Menschliches. Das Foto vom verstorbenen Eisbären Anton aus der Wilhelma wurde allerdings als eine Überraschung für Antons Paten erworben.