Grimm war einen Tag lang in der Sperrzone mit einem Guide unterwegs und hat Plätze wie etwa einen ehemaligen Freizeitpark festgehalten. Foto: Carina Grimm

Carina Grimm hat zum Abschluss an der Lazi-Akademie Orte rund um Tschernobyl und die Geisterstadt Prypjat 33 Jahre nach der Atomkatastrophe dokumentiert. Die Fotos werden für kurze Zeit ausgestellt.

Esslingen - Verlassene Orte sind ein beliebtes Fotomotiv. Vermutlich aufgrund ihres morbiden Charakters und der vergangenen Geschichten, die ihnen immanent sind. Im Fall von Carina Grimms Bildern ist es die furchtbare Geschichte der Atomkatastrophe von Tschernobylam 26. April 1986 und ihren Auswirkungen. 33 Jahre nach dem Reaktorunglück war die Fotografin 2019 in der Nordukraine, um das Sperrgebiet, Tschernobyl und die näher an dem Kraftwerk gelegene Stadt Prypjat zu fotografieren.

Ihre Bilder zeigen die seit Jahrzehnten verlassenen Plätze, die teilweise noch so erhalten zu sein scheinen, wie sie einst verlassen worden sind. Einen stillgelegten und mittlerweile verwilderten Freizeitpark, geöffnete Farbtöpfchen in einem Kindergarten, Puppen und Kinderschuhe auf dem Boden des Horts, ein Krankenhaus und auch das Kraftwerk selbst sowie Rückkehrer, die heute in der Sperrzone leben, hat Grimm fotografiert.

Die 34-Jährige hat in ihrer Kindheit gelernt, keine Beeren und Pilze zu sammeln, erzählt sie, da ihre Eltern sie vor möglicherweise verstrahlten Pflanzen schützen wollten. „Dieses Unglück hat mich beschäftigt und das war früher sehr präsent. Heutzutage ist das Thema Energiegewinnung ja auch aktuell, und es gibt viele Diskussionen darüber. Deshalb finde ich, dass der Vorfall in Tschernobyl nicht vergessen werden darf“, sagt die Esslingerin zur Motivation und dem Ziel ihrer Arbeit.

„Man überlegt, ob man bei der Strahlung für ein Foto stehen bleiben will.“

Die Serie entstand im Rahmen ihrer Ausbildung zur Fotodesignerin an der Esslinger Lazi-Akademie. Die meisten Arbeiten der Absolventen sind im Werbeumfeld angesiedelt. Die Studierenden der Akademie sollen fit für den Beruf gemacht und mit realen Auftragsszenarien konfrontiert werden. Dennoch gibt es die Möglichkeit, sich auszuprobieren.

Wie die zwölf anderen Absolventen des diesjährigen Jahrgangs hat sich Grimm auf die Suche nach einem Abschlussthema gemacht. „Ich brenne für das Dokumentarische und wollte die Zeit nutzen, mich mit dem Thema Tschernobyl und den verlassenen Orten zu widmen“, sagt sie. Zwar besuchte sie die Sperrzone nur an einem Tag, doch das bedrückende Gefühl und die Geschichte der Katastrophe haben sie geprägt. „Man darf dort nichts auf dem Boden abstellen, nicht essen, nicht trinken. Ein Dosimeter und ein Geigerzähler zeigen, wie hoch die Strahlung gerade an dem Ort ist, an dem man sich aufhält. Da überlegt man, ob man jetzt für ein Foto stehen bleiben will oder lieber nicht“, sagt Grimm. Sie will noch einmal nach Tschernobyl reisen und weitere Fotos, vor allem von den Rückkehrern machen. „Mich interessieren die rund 100 bis 200 Menschen, die heute wieder dort leben und geduldet werden. Die fühlen sich in der Sperrzone zu Hause, bauen dort eigenes Gemüse an. Man kann dort sogar Pokémon Go spielen, obwohl nicht klar ist, was mit der Strahlung ist.“

Grimms Fotos werden mit den Arbeiten der anderen Absolventen der Lazi-Akademie vom 31. Januar bis zum 2. Februar im Haus der Wirtschaft in Stuttgart ausgestellt.