Friedhelm Funkel ist am Freitag zum 17. Mal als Trainer beim VfB Stuttgart zu Gast. Foto: Getty

Er ist seit 25 Jahren im Geschäft und weiß: „Als Trainer wirst du getrieben.“ Mit der aufkommenden Kritik am Kollegen Tayfun Korkut vom VfB Stuttgart kann er dennoch nichts anfangen.

Stuttgart - Mit dem Aufsteiger Fortuna Düsseldorf gastiert Friedhelm Funkel an diesem Freitag (20.30 Uhr) beim VfB Stuttgart. Kein Bundesligatrainer ist länger im Geschäft als der 64 Jahre alte Rheinländer. Sein Erfolgsgeheimnis? „Ich bin immer authentisch geblieben.“

Herr Funkel, haben Sie eine Ahnung zum wievielten Mal Sie am Freitag als Trainer beim VfB Stuttgart antreten?

Ich sag’ mal: zehn-, zwölf Spiele müssten es schon gewesen sein.

Es ist Ihr 17. Spiel mit dem siebten Verein. Können Sie sich an das erste erinnern?

War das mit Uerdingen?

Richtig. Ein 2:1-Auswärtssieg im April 1993. 13 000 Zuschauer im Neckarstadion, Ihr Stürmer Heiko Lässig traf in der 90. Minute.

Ach, der Lässig. Ein Vierteljahrhundert ist das her. Das waren noch Zeiten.

Fast nichts mehr ist, wie es einmal war

Kann man die Bundesliga von damals überhaupt noch mit der von heute vergleichen?

In keiner Weise. Es gibt zwar noch immer 18 Clubs und 34 Spieltage. Ansonsten aber ist nichts mehr, wie es war. Auf der einen Seite das Tempo und die Athletik, auf der anderen das Mediale und sonstige Drumherum. Das hat sich vertausendfacht. Es ist Wahnsinn, wie sich alles verändert hat.

Trauern Sie den alten Zeiten hinterher, als noch drei Spiele in der Sportschau kamen und die Beteiligten auch mal unbehelligt feiern konnten?

Natürlich denke ich gerne an die guten alten Zeiten zurück. Aber das bringt ja auf Dauer nichts. Du musst dich der Realität stellen.

Was halten Sie von der Entwicklung des Fußballs? Immer mehr Wettbewerbe, immer mehr Kommerz.

Ich sehe das sehr kritisch. Ich finde, dass in vielen Bereichen völlig übertrieben wird. Ob das die Zahl der Wettbewerbe ist oder die vielen Marketingaktivitäten der Clubs. Auch die Spieler selbst tragen dazu bei, indem sie viel zu viel neben dem Platz machen. Wenn sie für einen Tag mit dem Privatjet nach Mallorca oder Israel fliegen, posten sie Bilder in den sozialen Netzwerken. Da frage ich mich: Muss das sein? Ich finde nicht.

Viele sagen, der Fußball überdreht das Rad.

Das könnte passieren, wenn es so weitergeht. Dann droht die Gefahr, dass sich die Leute irgendwann abwenden. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem man sich wieder mehr auf den Fußball und nicht so sehr auf die Geldvermehrung konzentrieren sollte.

Als Trainer ständig gefordert

Vermutlich ein frommer Wunsch. Hat der Trainerberuf früher mehr Spaß gemacht?

Mir macht er heute noch genauso viel Spaß. Der große Unterschied ist, dass die Arbeit viel anstrengender geworden ist. Du hast viel mehr Aufgaben, bist neben dem Platz deutlich stärker gefordert. Der Aufwand ist wesentlich größer geworden.

Sie haben doch heutzutage viele Assistenten.

Als ich 1992 anfing, gab es nur meinen Co-Trainer Armin Reutershahn und mich. Wir haben alles selber gemacht. Es gab keinen Torwarttrainer, keinen Athletiktrainer, nichts. Hätte ich damals einen Mentaltrainer engagiert – die Leute hätten mich ausgelacht. Heute habe ich sechs, sieben Spezialisten an meiner Seite, die mir unheimlich helfen, das stimmt. Anders würde es aber auch gar nicht mehr funktionieren. Der Job ist viel fordernder geworden.

Wie schafft man es trotzdem, mehr als 25 Jahre im Geschäft zu bleiben?

Das Wichtigste ist: Ich bin immer authentisch geblieben, habe mich nie verstellt und war gegenüber neuen Entwicklungen immer aufgeschlossen.

Die neue Trainergeneration kommt häufig aus den Nachwuchsleistungszentren und hat einen akademischeren Ansatz . . .

. . . Moment, dieser Begriff gefällt mir nicht. Ich kann auch nichts mit dem Modewort Konzepttrainer anfangen. Einen Plan hat auch schon Sepp Herberger gehabt. Das hat die neue Trainergeneration nicht neu erfunden. Der Unterschied zu früher ist, dass Trainer heute viel individueller auf die Spieler eingehen, weil sie viel mehr Informationen haben. Das machen wir älteren Trainer aber genauso wie die jüngeren.

Rückendeckung für VfB-Coach Korkut

Was nichts daran ändert, dass die Verweildauer von Trainern immer kürzer wird.

Das ist eine katastrophale Entwicklung. Alles ist viel schnelllebiger und boulevardesker geworden. Du bekommst als Trainer gar keine Zeit mehr, etwas aufzubauen. Du wirst von Außen getrieben, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Schauen Sie doch nur, was bei Ihnen in Stuttgart gerade passiert: Der VfB war vergangene Saison die zweitbeste Rückrundenmannschaft – und jetzt wird Tayfun Korkut nach zwei Niederlagen zum Saisonauftakt in Frage gestellt. Das ist absurd.

Der VfB hat sich nach den Transfers im Sommer den Start ganz anders vorgestellt.

Klar, aber in Mainz kannst du mal 0:1 verlieren, und gegen die Bayern ist der VfB nicht der einzige Club, der schlechte Karten hat. Was ist also groß passiert? Ich bin überzeugt, dass Tayfun mit dem VfB am Ende einen gesicherten Mittelfeldplatz erreichen wird. Alles andere ist unrealistisch.

Insgeheim wird aber vom Einzug in den Europapokal geträumt.

Ich weiß, aber das tun zehn, elf andere Mannschaften auch. Es ist in Stuttgart schon immer so gewesen, dass die Ansprüche oft ein bisschen zu hoch sind. Dabei sollte man aber bedenken: Der VfB ist erst letztes Jahr aufgestiegen.

Der Vergleich zwischen Fortuna und VfB

Fortuna Düsseldorf schaffte dieses Jahr den Aufstieg in die Bundesliga. Wie weit sind die Stuttgarter der Fortuna voraus?

Der VfB ist uns meilenweit voraus. Finanziell können wir uns überhaupt nicht miteinander vergleichen. Die Stuttgarter waren ja nur ein Jahr in der zweiten Liga und haben sich in diesem Sommer toll verstärkt. Für uns dagegen wäre es eine Sensation, wenn wir die Klasse halten. Wir sind für alle anderen Clubs der Abstiegskandidat Nummer eins. Denen wollen wir es zeigen. Das ist unser Antrieb.

Sie werden im Dezember 65. Wie viel Energie steckt noch in Ihnen?

Jede Menge. Fortuna Düsseldorf wird mein letzter Club sein. Dort will ich aber noch lange arbeiten.