Der Wald dient der Holzwirtschaft, dem Naturschutz und der Erholung. Foto: dpa

Trotz großen Siedlungsdrucks bleibt die Waldfläche stabil – und die ökologische Qualität scheint gar zu steigen.

Stuttgart - Fangen wir mit der schlechten Botschaft an: Dem Wald in Baden-Württemberg setzen Hitze und Trockenheit seit Jahren zu, weiter stresst der Borkenkäfer die Nadelbäume. Die Kronen von 38 Prozent aller Bäume, ob Fichten, Eichen oder Buchen, sind „deutlich geschädigt“, wie es im jüngsten Waldzustandsbericht heißt – das Risiko, dass sie vorzeitig absterben, steigt. Diese Entwicklung ist schleichend und hat mit dem Klimawandel zu tun. Längst ist also nicht alles in Ordnung im deutschen Wald. Aber es gibt auch viele gute Botschaften. Selbst Naturschützer wie Johannes Enssle, der Chef des baden-württembergischen Naturschutzbunds (Nabu), sagt: „Bei uns nimmt die Waldfläche sogar leicht zu – und auch die ökologische Qualität wächst.“

Windräder, Mobilfunkmasten, neue Straßen wie gerade etwa in Grafenberg (Kreis Reutlingen) oder ganze Gewerbegebiete wie in Calw reißen Löcher in den Wald – in den vergangenen fünf Jahren sind laut dem Ministerium für Ländlichen Raum in Stuttgart 740 Hektar Forst gerodet worden – „Waldumwandlung“ heißt das beschönigend im Behördendeutsch. Ein Ausgleich ist nach deutschem Recht Pflicht: Es wurden allerdings nur 430 Hektar neu aufgeforstet – weitere 1350 Hektar an bestehendem Wald wurden als Ersatz lediglich aufgewertet, etwa durch mehr Totholz, das Anlegen von Biotopen oder Schutzmaßnahmen für das Auerwild.

Nur drei Bundesländer haben prozentual gesehen mehr Wald

Insgesamt fallen diese Flächen aber kaum ins Gewicht – angesichts von 1,35 Millionen Hektar Wald, die es in Baden-Württemberg gibt. Das entspricht 37,8 Prozent der Landesfläche. Und in den vergangenen 20 Jahren hat sich dieser Anteil sogar leicht um 0,3 Prozentpunkte erhöht. Nur Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland stehen besser da. Neu aufgeforsteter Wald ist aber ökologisch oft nicht so hochwertig wie ein Gebiet mit alten Bäumen – doch zumindest können dann klimaresistente Baumarten gepflanzt werden.

Auch die Qualität des Waldes ist gestiegen. Das zeigt die Bundeswaldinventur aus dem Jahr 2012; jüngere Zahlen gibt es nicht, auch der neue Bundeswaldbericht greift darauf zurück. So ist der Wald „älter“ geworden: 2002 lag das durchschnittliche Alter der Bäume bei 72,5 Jahren, 2012 waren es 77 Jahre. Am ältesten dürften Eichen mit im Schnitt 102 Jahren werden. Tatsächlich aber könnten Eichen oder Linden viele Hundert Jahre alt werden, wenn man sie nicht vorher fällen würde.

Das Ziel: zehn Prozent des Staatswalds zur Wildnis zu machen

Der deutsche Wald sei auch vielfältiger geworden, was die Mischung der Baumarten anbetrifft. Und das für Pilze, Insekten und Vögel wichtige Totholz hat sich in den zehn betrachteten Jahren um 18 Prozent auf sechs Prozent des Holzbestands erhöht. Baden-Württemberg liege hier bundesweit vorn, teilt Jürgen Wippel, der Sprecher des Ministeriums für Ländlichen Raum in Stuttgart, mit: 28,8 Kubikmeter Totholz pro Hektar Wald gebe es im Südwesten; bundesweit sind es 20,6 Kubikmeter pro Hektar. Ein wenig stolz ist das Ministerium auch darauf, dass die als naturnah bezeichneten Waldflächen im Südwesten mehr als die Hälfte des Bestands ausmachen. Darunter versteht man Flächen, auf denen vorwiegend jene Baumarten wachsen, die sich ohne Eingriff des Menschen von selbst angesiedelt haben.

Nach einer Umfrage unter Waldbesitzern gab Greenpeace dem Land vor zwei Jahren dagegen nur fünf von zwölf möglichen Punkten: Der Holzeinschlag sei unter allen Ländern am höchsten; und vom nationalen Ziel, zehn Prozent staatlichen Walds der Wildnis zu überlassen, sei man weit entfernt. Der Nabu-Landeschef Enssle schlägt ebenfalls in diese Kerbe: „Ich wäre froh, wenn wir überhaupt die zehn Prozent erreichen“, sagt er. Derzeit sind es 5,7 Prozent des Staatswalds. Sorgen bereitet Enssle auch, dass der Wald zunehmend von Straßen zerschnitten werde und dass Rückemaschinen immer schwerer würden und den Boden beschädigten.

Landesbetrieb erlöste 133 Millionen Euro mit Holzverkauf

Aber der Wald hat ja nicht nur eine ökologische Funktion. Er dient auch der Erholung der Menschen – im Jahr 2017 wurden dafür laut Jürgen Wippel 4,7 Millionen Euro investiert, etwa in Grillplätze, Sitzbänke oder Schutzhütten. Und der Wald dient natürlich der Holzvermarktung. Knapp 133 Millionen Euro nahm der Landesbetrieb Forst-BW im Jahr 2017 mit dem Verkauf ein. Trotzdem ist der Holzvorrat laut der Bundeswaldinventur so hoch „wie seit Jahrhunderten nicht mehr“. Mit 3,7 Milliarden Kubikmetern stehe im deutschen Wald mehr Holz als in jedem anderen Land der Europäischen Union.

Claus-Peter Hutter, der Stuttgarter Präsident der Umweltstiftung Nature-Life, hat jüngst gefordert, dass künftig die Hälfte des staatlichen und kommunalen Waldes sich selbst überlassen bleibt – nur so könne man den Klimawandel aufhalten. Minister Peter Hauk (CDU) hat dies zurückgewiesen. Studien kämen überwiegend zu dem Ergebnis, dass nur bewirtschaftete Wälder dauerhaft zu positiven Kohlenstoffbilanzen führten. Hauk hat eine Initiative angestoßen, dass wieder mehr mit Holz gebaut wird; so bleibe das CO2 langfristig gebunden. Grundsätzlich ist er mit der Waldbilanz zufrieden: „Baden-Württemberg ist eine der waldreichsten Regionen Europas. Mit Blick auf die Vielfalt sowie den Holzzuwachs und die Holzvorräte nehmen unsere Wälder eine europäische Spitzenstellung ein.“