Foto: dpa

Bei Datenschützern stößt das Projekt auf Ablehnung - die Politik will Vorhaben schnell stoppen.

Wiesbaden/Berlin - Es sollte nur um ein Forschungsprojekt gehen, doch die Politik hat die Facebook-Pläne der Schufa eigentlich schon begraben, bevor es richtig losging. Schon allein die Überlegung, bei der Berechnung der Bonität auch Informationen aus Online-Netzwerken wie Facebook zu berücksichtigen, löste eine Lawine der Ablehnung aus. Politiker aller Parteien stellten unmissverständlich klar: Mit uns nicht! Die Wahrscheinlichkeit, dass die Schufa kurz das Profil bei Facebook oder Twitter durchleuchten darf, bevor man sich ein neues Auto oder Sofa auf Pump kaufen kann, ist damit gleich null.

Die Aufregung in Internet brach am Donnerstagmorgen aus: SCHUFA! WILL! FACEBOOK-NUTZER! DURCHLEUCHTEN! Dabei spielte es auch kaum eine Rolle, dass die größte Auskunftei Deutschlands eigentlich nur ein Forschungsprojekt am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam gestartet hatte: „Es geht nicht darum, jetzt zusätzliche Datenquellen zu erschließen“, versicherte Schufa-Sprecher Andreas Lehmann. Das Forschungsprojekt solle nur klären, ob die Analyse öffentlicher Informationen aus dem Internet sinnvoll und überhaupt rechtlich zulässig sei. Die Äußerungen des Schufa-Sprechers belegen aber auch: Die Schufa macht sich durchaus konkrete Gedanken darüber. Das zeigt auch die Liste mit „Projektideen“, die der Radiosender NDR Info veröffentlichte.

Die Fragestellungen, denen das „SCHUFAlab“ am Potsdamer HPI nachgehen könnte, haben es zum Teil in sich. Auf der Liste steht dem NDR zufolge auch die Idee, einen Zusammenhang zwischen dem Freundeskreis von Facebook-Mitgliedern und ihrer Kreditwürdigkeit zu erforschen. Könnte man also irgendwann keinen Kredit mehr bekommen, wenn man bei Facebook zu viele arme Schlucker kennt? Zudem sei die Analyse von Textdaten denkbar, um „ein aktuelles Meinungsbild zu einer Person zu ermitteln“. Unter den „Projektideen“ sind auch die Einordnung des Wohnorts, des Arbeitsplatzes und auch eine automatische Identifizierung der „Personen öffentlichen Interesses, Verbraucherschützer und Journalisten“. Sollen diese dann bei einer Kreditvergabe bevorzugt werden?

Ein HPI-Sprecher betonte, der NDR zitiere „eine lange Ideenliste“, die aber noch kein Projektplan sei. Für Wissenschaftler dürfe es im Vorfeld eines Projektes keine Denkverbote geben. Nur ein kleiner Teil der Ideen beziehe sich überhaupt auf ausdrücklich personenbezogene Daten. „Der viel größere Teil betrifft ganz allgemeine Daten aus dem Internet, zum Beispiel Bevölkerungsdaten.“ Die Schufa verteidigt sich, man wisse selbst nicht, ob das so eine gute Ideen seien. „Deshalb auch das Forschungsprojekt“, sagt Sprecher Lehmann in Wiesbaden.

Von der Politik gab es einen Schuss vor den Bug

Doch trotz aller Beschwichtigungsversuche aus Wiesbaden und Potsdam gab von der Politik einen unmissverständlichen Schuss vor den Bug von Schufa und HPI. „Die Schufa darf nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden“, warnte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU). „Die Funktion der Schufa ist die Prüfung der Kreditwürdigkeit und dazu müssen die Finanzdaten reichen“, erklärte sie im „Münchner Merkur“ (Freitagausgabe). Ein Front mit ihr bildete Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die bei „Spiegel Online“ abhakte: „Es darf nicht sein, dass Facebook-Freunde und Vorlieben dazu führen, dass man zum Beispiel keinen Handyvertrag abschließen kann.“

Doch auch wenn die Politik nun der Schufa das Stopp-Schild zeigt, wird ein grundsätzliches Problem nicht gelöst: Die zur Debatte stehenden Informationen sind nämlich längst im Netz verfügbar - nicht nur für die Schufa und die Forscher am HPI. Und mit dem Boom der Sozialen Netzwerke werden es mit jedem Tag mehr. „Jeder kann auf diese Daten zugreifen“, betont Schufa-Sprecher Lehmann.

Der Programmierer und Blogger Christian Köhntopp drehte am Donnerstag in einem Blogeintrag den Spieß um: „Wenn die Schufa das kann, dann kann das jeder machen.“ Die Schufa, die ihr Geld mit umfangreichen Dossiers zur Kreditwürdigkeit deutscher Verbraucher verdient, müsse um ihre Geschäftsgrundlage bangen, schrieb Köhntopp. „Falls das Projekt von HPI und Schufa herausfindet, dass genau das auch mit öffentlich verfügbaren Daten mit einer sinnvollen Trefferwahrscheinlichkeit getan werden kann, ist die Schufa erledigt.“

Schufa-Vorstand Peter Villa hatte es zur Vorstellung des Projekts Anfang der Woche etwas vornehmer ausgedrückt: „In der Zusammenarbeit mit dem HPI wollen wir durch wissenschaftlich fundierte Ergebnisse langfristig die Qualitätsführerschaft unter den Auskunfteien in Deutschland sichern.“ Ergänzend heißt es aus seinem Haus, man sehe im World Wide Web als Informationsquelle „eine ganz zentrale Herausforderung“.