Mit einem Schieberegler kann das Gesicht verändert werden. Foto: Max Kovalenko, Universität Stuttgart

Mit der rasant voranschreitenden Computertechnik gewinnt eine Frage an Bedeutung: wie sollen digitale Figuren aussehen, damit sich reale Menschen mit ihnen wohlfühlen? Die Uni Stuttgart liefert überraschende Erkenntnisse.

Stuttgart - Die Helden der Zukunft werden in einem nüchternen Flachdachbau der Uni Stuttgart in Vaihingen geboren. Zwei Forscher der Universität wollen jenen Figuren, die künftig Computerspiele und Hollywoodfilme prägen können, Gesicht und Körper verleihen. Keiner von Ihnen hat das Kinn eines Arnold Schwarzenegger, den durchdringenden Blick eines Tom Cruise – doch mit Heldenfiguren kennen sich Niels Henze und Valentin Schwind bestens aus. Die beiden Wissenschaftler am Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme sind den Helden genauso auf der Spur wie den Bösewichten.

Sie stellen dabei grundlegende Fragen: Wie sollten virtuelle Figuren gestaltet sein, damit sich die Zuschauer und Betrachter mit ihnen identifizieren können? Warum empfinden viele Betrachter bestimmte Charaktere in animierten Filmen als abstoßend, obwohl sie dank neuester Technik fast perfekt realen Menschen nachempfunden sind? Die Tücke liegt im Detail, es geht um jene Nuancen, die den Menschen von seinem beinahe perfekten Widerpart unterscheiden. Die Wissenschaft kennt das Phänomen des sogenannten Uncanny Valley (unheimliches Tal) seit den 1970er Jahren: Figuren, die annähernd realistisch sind, werden von vielen Menschen als unangenehm wahrgenommen. In Stuttgart gehen Henze und Schwind den Ursachen systematisch auf den Grund. Mit durchaus ungewöhnlichen Methoden.

Mit der Software kann jeder seinen eigenen Bösewicht schaffen

So testeten sie unter anderem mit Versuchsteilnehmern, wie sie auf ihre eigenen Arme reagieren, wenn sie diese auf einem Display virtuell verfremdet sehen. Dabei erfasst ein Sensor mit Kameras die Positionen der Knochen, der Arm wird auf dem Display sichtbar. Männer und Frauen konnten bei diesem Experiment auch in den Körper des jeweils anderen schlüpfen. „Dabei reagierten Frauen viel sensibler auf die Darstellung“, erzählt Niels Henze. „Sie konnten beispielsweise Haare auf ihren Händen nicht ertragen.“ Die Forscher interessieren sich besonders dafür, wann genau der Uncanny Valley-Effekt bei einem Betrachter einsetzt, Sympathie für eine Heldenfigur also in Antipathie umschlägt. Eyetracker eignen sich dafür besonders gut: Die Geräte zeichnen die Blickbewegungen auf. „Der Blickkontakt eines Menschen auf ein künstlich animiertes Gesicht wird kürzer, sobald dieser Effekt einsetzt“, sagt Niels Henze.

Valentin Schwind hat sich den Vorstellungen und Gefühlen, mit denen Menschen künstlichen Figuren begegnen, auf eine weitere Weise genähert: Mit der Software Facemaker (Website: facemaker.uvrg.org) kann jeder im Internet seine eigene Figur eines Helden oder eines Bösewichts schaffen. Ausgehend von einem europäischen Durchschnittsgesicht kann jeder Teilnehmer dieses Gesicht mithilfe von Schiebereglern verändern: Wie groß soll der Abstand zwischen den Augen sein? Soll die Stirn hoch oder tief, sollen die Lippen voll oder schmal sein? Schritt für Schritt entsteht eine Figur, die die Erwartungshaltungen und Empfindungen ihres jeweiligen Schöpfers widerspiegelt. Den Möglichkeiten, mehr über den Uncanny-Valley-Effekt zu erfahren, sind kaum Grenzen gesetzt. Die Wissenschaftler setzen auch das aus der neurologischen Forschung bekannte EEG ein. Dabei werden die Gehirnströme von Probanden gemessen, während diese virtuelle Gesichter ansehen. Anschließend werden die gewonnenen Daten ausgewertet.