Noch steht der Anhänger des Fraunhofer IPA hinter dem Institutsgebäude in Stuttgart-Vaihingen. Drin ist alles, was Forscher zur Abwasseruntersuchung brauchen. Foto: Fraunhofer IPA/Fotograf: Rainer Bez

Das Fraunhofer IPA in Stuttgart will mit einem mobilen Labor im Abwasser nach Viren suchen. Einsatzbereit ist es noch nicht. Derweil nimmt das Landesgesundheitsamt wöchentlich Proben in den Klärwerken Tübingen und Stuttgart-Mühlhausen.

Vaihingen - Die Coronazahlen steigen, noch in dieser Woche könnte in Baden-Württemberg die Alarmstufe ausgerufen werden. Umso wichtiger ist es, Infektionsgeschehen frühzeitig zu lokalisieren, potenzielle Corona-Hotspots zu identifizieren und einzudämmen. Schon seit einer Weile ist in diesem Zusammenhang vom Abwassermonitoring zu lesen und zu hören. Denn Coronaviren sind bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Abwasser nachweisbar. In manchen Städten werden regelmäßig Proben an den Kläranlagen entnommen und untersucht, es gibt Kooperationen mit Unis und Forschungseinrichtungen.

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In Baden-Württemberg beprobt das Landesgesundheitsamt seit Juli 2021 wöchentlich die Klärwerke Tübingen und Stuttgart-Mühlhausen auf Coronaviren. Das teilen das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration und das Umweltministerium in einer gemeinsamen Antwort auf eine Anfrage unserer Zeitung mit. Die Untersuchung solle noch bis Jahresende andauern.

Infektionsgeschehen könnte zwei Wochen früher erkannt werden

Aus anderen Untersuchungen, zum Beispiel die des Technologiezentrums Wasser in Karlsruhe, sei bereits bekannt, dass das Abwassermonitoring ein geeignetes Mittel zur Überwachung des Erkrankungsgeschehens sei. „Da bereits Virusausscheidungen von Personen im symptomlosen Stadium beziehungsweise zu Beginn einer Infektion nachgewiesen werden können, kann ein Wiederaufflammen des Infektionsgeschehens bereits etwa zwei Wochen früher erkannt werden“, so die Ministerien. Der Zeitvorteil könne von den Gesundheitsbehörden gegebenenfalls zur frühzeitigen Information der Bevölkerung und zur Einleitung von Maßnahmen genutzt werden.

Das Labor auf Rädern spart zusätzlich Zeit

Das haben auch Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) im Blick. Sie haben ein mobiles Labor entwickelt, mit dem sie künftig im Großraum Stuttgart unterwegs sein wollen, um bei verschiedenen Kläranlagen Abwasser auf Coronaviren zu untersuchen. Das Labor auf Rädern spart dabei noch einmal zusätzlich Zeit, weil die Proben nicht erst verschickt, sondern gleich an Ort und Stelle untersucht werden können. Der Anhänger ist ein Forschungsprojekt der Fraunhofer-Gesellschaft und wird von dieser mit knapp 400 000 Euro gefördert.

Das rollende Labor hat noch keine Papiere

Doch noch rollt der Wagen nicht. Der TÜV sei zwar inzwischen vor Ort in Stuttgart-Vaihingen gewesen und habe die Abnahme des Anhängers als mobiles Labor mündlich bestätigt, noch habe man aber keine Papiere. „Sobald die Papiere vorliegen, können wir die Straßenzulassung beantragen. Wie lange das dauert, können wir nicht abschätzen“, teilt Jörg Walz von der Pressestelle des Fraunhofer IPA mit.

Es gibt noch ein weiteres Problem: Das Verbrauchsmaterial, mit dem das mobile Labor ausgestattet werden muss, ist knapp. Gemeint sind kleine Dinge wie zum Beispiel Spritzen. „Der Bedarf an Plastikware und Reagenzien in der Qualität, die für PCR-Tests benötigt wird, ist weltweit explodiert. Die Hersteller konnten ihre Produktionskapazitäten immer noch nicht so weit ausbauen, dass die Lieferengpässe behoben wären“, erklärt Walz. Dieser Engpass betreffe auch andere Branchen.

Es gibt noch keine Handlungsempfehlungen für die Behörden

Ebenso wie das mobile Labor sind auch die wöchentlichen Beprobungen in Tübingen und Stuttgart-Mühlhausen sozusagen im Projektstadium. Der Abschlussbericht stehe noch aus. Eine eventuelle Weiterführung der Beprobungen werde auf der Basis dieses Berichtes geprüft. Dabei sei die weitere Entwicklung – auch im Hinblick auf Finanzierungsmöglichkeiten – auf Bundesebene einzubeziehen, so die Ministerien. Es gibt nämlich noch eine andere Schwierigkeit. In jedem Klärwerk landen Abwasser von ungefähr 10 000 Anwohnern. Genau zurückverfolgen lässt sich das Infektionsgeschehen also nicht. Und welche Konsequenzen leitet man dann aus den gewonnen Daten ab? Handlungsempfehlungen für die Behörden, wie mit den Ergebnissen eine Abwassermonitorings zu verfahren wäre, gebe noch nicht, teilen die Ministerien mit. Und es könne sie auch nur geben, wenn und falls „flächendeckend und repräsentativ für Baden-Württemberg Beprobungen erfolgen“.