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Die Antarktis ist fast menschenleer, und deshalb ist sie für Forscher so faszinierend.

Stuttgart - Der Erdball bietet für Entdecker nur wenige weiße Flecken - unerforschtes Terrain, das es zu entdecken gilt. Doch die Antarktis gibt nicht all zu viele ihrer Geheimnisse preis.

Am 14. Dezember dieses Jahres jährt sich zum 100. Mal der Triumph Roald Amundsens. Der Norweger stand damals als erster Mensch am Südpol. Die erfolgreiche Expedition machte ihn zum Nationalhelden - und zur Legende unter den Entdeckern. Welche übermenschliche Leistung es war zu überleben, hat Amundsen in seinem Tagebuch notiert. "Alle sind entschlossen durchzukommen, koste es, was es wolle." Nebel, Gletscherspalten, Schneestürme machen jeden Schritt zur Qual. Amundsen und seine Gefährten setzen ihren Weg unbeirrt fort. Mit einfachster Ausrüstung kämpften sie sich 99 Tage lang durch die eisige Wildnis, dann waren sie wieder im Basislager.

Antarktis ist der lebensfeindlichste Ort der Erde

Tragisch dagegen endete die Geschichte seines britischen Konkurrenten Robert Scott, der fast zur gleichen Zeit zum Angriff auf die Antarktis gestartet war. Vier Wochen nach dem Norweger war er am Ziel und sah, dass bereits eine norwegische Flagge am Südpol wehte. In einem Zelt hatte Amundsen einen Brief für Scott hinterlassen. Fast höhnisch klang seine Nachricht. "Wenn etwas von dem, was wir im Zelt zurückgelassen haben, für Sie von Nutzen sein kann, zögern Sie nicht, es zu gebrauchen. Ich wünsche Ihnen eine gesunde Heimkehr." Dazu sollte es nicht kommen. Kein Mitglied der britischen Expeditionsgruppe kehrte lebend zurück. Scotts letzter Eintrag im Tagebuch lautete: "Um Gottes willen - sorgt für unsere Hinterbliebenen! - R. Scott."

Die Eiswüste hat seither viel von ihrem Schrecken verloren, aber immer noch ist die Antarktis der lebensfeindlichste Ort auf unserem Planeten. Nirgendwo ist es kälter. Die tiefste je registrierte Temperatur wurde am 21. Juli 1983 gemessen: minus 89,2 Grad Celsius an der damals noch sowjetischen Station Wostok in 3400 Meter Höhe. Der Juli ist in der Antarktis der kälteste Monat, weil auf der Südhalbkugel Winter ist. Im Sommer kann das Thermometer in den Küstenregionen immerhin ab und zu die Nullgradgrenze erreichen.

Für die Wissenschaftler ist die Antarktis deshalb so interessant, weil es das größte Freiluftlabor der Erde und nahezu unberührt vom Einfluss des Menschen, für viele Vorgänge aber gleichwohl von elementarer Bedeutung ist. Klimatologen hoffen, aus ihren Studien im ewigen Eis das zukünftige Erdklima vorhersagen zu können. Schrumpft die antarktische Eiskappe im gleichen Tempo wie bisher, steigt der Meeresspiegel dramatisch an.

Wem gehört eigentlich die Antarktis?

Vergleiche von Satellitenaufnahmen aus den frühen siebziger Jahren mit aktuellen Fotos zeigen vor allem in der Westantarktis eine bedrohliche Dezimierung. Larsen B, einer der drei Teile des gleichnamigen Schelfeis-Gebiets, zerfiel zwischen 2002 und 2007 in fünf Teile und könnte innerhalb der nächsten Jahre völlig von der Landkarte verschwunden sein. Schmilzt das komplette Eis der westlichen Antarktis, läge der Pegel aller Ozeane um acht Meter höher als heute. Venedig, New Orleans, Sydney oder die Malediven: Alle diese Traumziele gäbe es dann nicht mehr, sie wären für alle Zeiten überflutet.

Eine Vielzahl der Forschungsstationen stehen an der Küste, aus logistischen Gründen. Die Versorgung der Außenposten im Inneren des eisigen Kontinents oder Rettungseinsätze im Notfall wären bei den herrschenden Temperaturen und Stürmen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h ein nahezu unmögliches Unterfangen. Eines der modernsten Labore ist die deutsche Station Neumayer III, seit 2009 in Betrieb. Neun Männer und Frauen leben dort bis zu neun Monate, von der Außenwelt abgeschnitten.

Wem gehört eigentlich die Antarktis? Sieben Länder - Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Neuseeland, Norwegen und Großbritannien - erheben zum Teil übergreifende Hoheitsansprüche auf Gebiete des Kontinents. Seit dem 1. Dezember 1959 liegen die Forderungen auf Eis, damals trat der Antarktis-Vertrag in Kraft. Er regelt die friedliche Nutzung, auch durch andere Länder. Zudem wird ausdrücklich die wissenschaftliche Erkundung unterstützt.

Dennoch droht dem Makrokosmos Gefahr. Immer mehr Touristen lassen sich an den Rand des Schelfeises schippern, um einmal das ewige Weiß zu erleben. Sie werden in Schlauchbooten um Eisschollen herumgefahren und wollen Kaiserpinguine, Robben oder Wale bestaunen. Nach den US-Amerikanern sind die Deutschen mit etwa 15 Prozent die zweitgrößte Urlaubergruppe. In der Saison 2007/2008 betraten nach Angaben von Greenpeace an die 40000 Touristen den südlichsten Kontinent. Das klingt nicht nach viel. Aber jedes Jahr werden es mehr, die das für Millionen Jahre unberührte Ökosystem unwiederbringlich verändern.