Der unbekannte Neue: Die Illustration zeigt „Planet Neun“ und (rechts) die weit von ihm entfernte Sonne. Foto: dpa

Wenn es stimmt, wäre es eine absolute astronomische Sensation. Zwei US-Forscher wollen den Neunten Planeten unseres Sonnesystems gefunden haben. Er ist sehr, sehr weit weg.

Stuttgart - Wenn es in der modernen Astronomie etwas zu entdecken gibt und die Karte unseres Sonnensystems grundlegend geändert wird, fällt immer wieder ein Name:  Michael Brown. Jetzt hat der 50-jährige amerikanische Sternengucker wieder zugeschlagen. In der Februarausgabe des renommierten „Astronomical Journal“ hat er zusammen mit seinem Kollegen Konstantin Batygin vom California Institute of Technology (einer Eliteuniversität in Pasadena im Los Angeles County, US-Bundesstaat Kalifornien) seine neueste Entdeckung veröffentlicht: „Planet Nine“ – „Planet Neun“.

Acht Planeten – oder sind es doch neun?

Erst waren es neun, dann nur noch acht. Und jetzt wieder neun? Eigentlich zählen die Experten acht Planeten zu unserem Sonnensystem: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Bis 2006 gehörte noch ein neunter Planet dazu: Pluto. Aber der ist inzwischen zum Zwergplaneten herabgestuft worden. Nun glauben die beiden Weltraum-Forscher auf die echte Nummer Neun gestoßen zu sein. Sie haben ihn vorerst „Planet Neun“ getauft. Es soll sich um einen riesigen Himmelskörper handeln, der sehr, sehr weit von der Sonne entfernt ist.

„Planet Neun“ sei zehnmal so schwer wie die Erde, behaupten Michael Brown und Konstantin Batygin. (Zur Info: die Erde wiegt 5,977 Trilliarden Tonnen.) Mit ihren Teleskopen haben sie Nummer Neun noch nicht gesehen. Ihre Hypothesen beruhen ausschließlich auf Berechnungen und Computermodellen. Aber: „Planet Neun“ erfülle alle Kriterien eines echten Planeten, erklärt Brown. Er sei der „planetigste aller Planeten im ganzen Sonnensystem“.

„Planet Neun“ liegt weit hinter Neptun

Demnach umkreist „Planet Neun“ die Sonne in durchschnittlich zwanzig Mal so großer Entfernung wie Neptun, der von den acht bekannten Planeten mit 4,5 Milliarden Kilometern am weitesten von der Sonne entfernt ist (Erde: 150 Millionen Kilometer). Wenn es stimmt es, was die beiden Forscher behaupten, wäre „Planet Neun“ rund 180 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt (Erde: 150 Millionen Kilometer). Kein Wunder, dass er so wenig Licht reflektiert und sich selbst stärksten Teleskopen wie dem Hubble-Teleskop im Weltraum entzieht.

Michael Brown: Der „Pluto-Killer“

Wer ist dieser Michael Brown? Er wurde am 5. Juni 1965 in Huntsville (US-Bundesstaat Alabama) geboren. Heute ist er einer der führenden US-Wissenschaftler auf dem Gebiet der Sternenforschung. 1987 machte Brown seinen Bachelor an der US-Elite-Universität Princeton. Es folgten das Diplom 1990 an der University of California in Berkeley und 1994 dort die Promotion. 1997 ging er als Dozent an das California Institute of Technology, wo er seit 2003 als Professor lehrt. Sein Spezialgebiet ist die Beobachtung von Himmelsobjekten des äußeren Sonnensystems.

Als die Vollversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) 2006 Pluto vom Planeten zum Zwergplaneten degradierte, war Brown einer der Wortführer. Seitdem gibt es nur noch acht offiziell anerkannte Planeten in unserem Sonnensystem: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.

Brown schrieb über seine planetarische Erkundungen einen Bestseller: „How I Killed Pluto und Why It Had It Coming“ – „Wie ich Pluto zur Strecke brachte - und warum er es nicht anders verdient hat“ (Springer Spektrum, Heidelberg 2012). Er war es auch, der 2003 zusammen mit den Astronomen Chad Trujillo (Gemini-Observatorium) und David Rabinowitz (Yale-Universität) mit den Teleskopen des  Mount Palomar Observatoriums die Zwergplaneten Eris und Sedna entdeckte.

Neptun und der Kuipergürtel

Eris, Sedna und die Plutoide

Eris ist nach Pluto der massereichste und zweitgrößte bekannte Zwergplanet unseres Sonnensystems. Wie Pluto zählen Eris und Sedna zu den Plutoiden, einer Unterklasse von Zwergplaneten, die abseits der Neptun-Umlaufbahn die Sonne umrunden.

Nach der Entdeckung von Eris 2005 bezeichnete die US-Weltraumbehörde NASA den Zwergplaneten, der sich im Kuipergürtel befindet und einen ähnlichen Durchmesser wie Pluto hat, als „zehnten Planeten“. Etwas vorschnell, wie sich herausstellte. Bereits ein Jahr später strich die IAU Pluto aus der Reihe der Planeten.

Brown war auch an der Entdeckung der Zwergplaneten Quaoar (2002), Orcus (2003) und Makemake (2005) beteiligt, die sich wie Sedna und Eris im Kuipergürtel befinden – einem gewaltigen Ring aus eisigem Geröll rund um Neptun. Der „Kuiper Belt“ (englisch für Kuipergürtel) ist nach dem niederländischen Astronomen Gerard Kuiper benannt. 1951 stellte er die Hypothese auf, dass einige Kometen aus dieser Region stammen könnten.

Der Kuipergürtel – ein gewaltiger Eis-Geröll-Ring rund um Neptun

Schätzungen zufolge enthält der Kuipergürtel mehr als 70 000 Objekte mit über 100 Kilometer Durchmesser sowie zahlreiche kleinere Objekte. Die meisten von ihnen sind mit einem Durchmesser von zehn bis 50 Kilometern eher winzig. Mit einem Durchmesser von 2370 Kilometern gilt Pluto als größter Zwergplanet im Kuipergürtel.

Das erste Objekt des Kuipergürtels wurde 1992 entdeckt, womit Kuipers Theorie bestätigt wurde. Weil diese Objekte sehr wenig Licht abstrahlen und sich nur langsam bewegen, sind sie schwer zu erkennen. Um die Sonne einmal zu umrunden, brauchen sie mehrere hundert Jahre – im Fall von „Planet Neun“ wahrscheinlich sogar 10 000 bis 20 000 Jahre.

Ähnlich wie beim Erdmond handelt es sich bei diesen Zwergplaneten wahrscheinlich um Überbleibsel aus der Zeit, als die Planeten unseres Sonnensystems vor mehr als vier Milliarden Jahren entstanden. Nachdem sie den größeren Planeten wie Jupiter oder Neptun zu nahe gekommen waren, wurden sie in weit entfernte Außenregionen des Sonnensystems geschleudert.

Unbekanntes Schwerefeld jenseits von Neptun

Browns und Batygins Recherchen beruhen auf Beobachtungen anderer Objekte im Kuipergürtel: 2014 entdeckten Astonomen eine ungewöhnliche Anhäufung von Himmelskörpern am äußersten Rand dieser Region. Sie konnten sich dieses Phänomen nur so erklären, dass es einen bisher unentdeckten Planeten mit eigenem Schwerefeld geben müsse. Sechs dieser Objekte hatten elliptische Umlaufbahnen, wobei alle mit einem Ende in dieselbe Richtung wiesen.

Das könne kein Zufall sein, mutmaßten Brown und Batygin. Sie speisten die Daten in eine Computersimulation des Sonnensystems ein, um herauszufinden, was hinter den ungewöhnlichen Bahnen stecken könnte. Das Ergebnis: „Egal, wo es ist, das Einzige, was wir sicher wissen über Planet Neun wissen, ist, dass er den äußeren Rand des Sonnensystems dominiert“, schreibt Brown in seinem Internet-Blog „FindPlanetNine.com“.

Die Suche nach „Planet X“

Neptun, Pluto und „Planet X“

Dass da draußen etwas ist, was ein Planet sein könnte, hat man schon seit langem vermutet. Zum ersten Mal seit mehr als 150 Jahren gebe es nun stichhaltige Belege, dass die bisherige Erhebung unseres Sonnensystems unvollständig sei, erklärt Batygin.

1846 entdeckte der Astronom Johann Gottfried Galle den Planeten Neptun. Ab 1905 suchte Percival Lowell, Hobby-Astronom und Textilfabrikant-Erbe, nach dem sagenhaften „Planeten X“, der hinter Neptun liegen sollte. 1930 wurde Pluto durch das Lowell-Observatorium in Flagstaff (US-Bundesstaat Arizona) entdeckt. Doch der größte bekannte Zwergplanet im Kuipergürtel , der für eine Sonnenumrundung 247,68 Jahre benötigt, war deutlich kleiner als Lowell angenommen hatte.

Astronomen sind beeindruckt

Astronomen-Kollegen von Brown und Batygin zeigen sich beeindruckt von deren Entdeckung. „Ich glaube, jetzt wird es einen Wettlauf darum geben, diesen Planeten zu finden“, sagt Alessandro Morbidelli vom französischen Côte d’Azur-Beobachtungszentrum. „Ich glaube, die sind da etwas wirklich Existierendem auf der Spur. Ich würde da Geld drauf setzen.“

Info – Planeten und Zwergplaneten

Pluto und Pluto-ähnliche Himmelskörper

Der Begriff „Planet“ wird seit dem Altertum benutzt. Er hatte aber lange Zeit keine konkrete wissenschaftliche Definition. Erst 2006 verabschiedete die 26. Vollversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) in Prag eine Resolution, die Planeten und die neue Klasse der Zwergplaneten durch klare Kriterien definiert. Die Festlegung war nötig geworden, um neu entdeckte, Pluto-ähnliche Himmelskörper in unserem Sonnensystem einordnen zu können.

Was ist ein Planet?

Ein PLANET ist demnach ein Himmelskörper, der:

1. sich in einer Umlaufbahn um die Sonne befindet

2. genug Masse besitzt, dass seine eigene Schwerkraft ihn in eine nahezu runde Form zwingt (hydrostatisches Gleichgewicht)

2. und der die Umgebung seiner Umlaufbahn von anderen Himmelskörpern freigeräumt hat.

Was ist ein Zwergplanet?

Ein ZWERGPLANET ist ein Himmelskörper, der:

1. sich in einer Umlaufbahn um die Sonne befindet

2. genug Masse besitzt, dass seine eigene Schwerkraft ihn in eine nahezu runde Form zwingt (hydrostatisches Gleichgewicht)

3. die Umgebung seiner Umlaufbahn nicht von anderen Himmelskörpern freigeräumt hat und kein Mond ist.

Acht Planteten sind anerkannt

Die Internationalen Astronomischen Union (IAU) zählt in unserem Sonnensystem offiziell acht Planeten (in der Reihenfolge der Entfernung zur Sonne): Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun - sowie die fünf Zwergplaneten Ceres, Pluto, Haumea, Makemake und Eris. Es könnte jedoch Dutzende oder sogar Hunderte Zwergplaneten in unserem Sonnensystem geben. Der jetzt weit hinter Neptun vermutete große Himmelskörper „Planet Neun“ würde voraussichtlich in die Klasse der Planeten fallen.

Der Planet Erde

Die Erde ist der dichteste, fünftgrößte und der Sonne drittnächste Planet des Sonnensystems. Sie hat Durchmesser von 12.756 Kilometern, ist rund 4,6 Milliarden Jahre alt und etwa 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt.

Erdähnliche Planeten und Gasplaneten

Als erdähnliche Planeten, terrestrische Planeten oder Gesteinsplaneten werden Himmelskörper bezeichnet, die in ihrem Aufbau der Erde gleichen. Sie bestehen vollständig oder fast vollständig aus festen Bestandteilen und haben einen Schalenaufbau. Neben Merkur, Venus, Erde und Mars – den vier Planeten des inneren Sonnensystems – gehören auch der Erdmond, die Jupitermonde Io und Europa sowie die größeren Eismonde Ganymed, Kallisto, Titan, und Triton zu dieser Gruppe.

Daneben gibt es noch die Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun (auch jupiterähnliche Planeten genannt), die überwiegend aus leichten Elementen wie Wasserstoff und Helium bestehen und nur einen geringen Anteil an schwererem Material wie Gesteine,und Metalle aufweisen.