Stuttgarter und kanadische Wissenschaftler sowie Unternehmen wollen Cannabis ohne Rauschwirkung für den Markt erschließen. Was erhoffen sie sich von der Pflanzenforschung?
Stuttgart - Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel oder Hautpflege – all das lässt sich aus CannabisVarianten herstellen. Doch die alte Heilpflanze war in Deutschland lange als potenzielle Droge in Verruf. Die Folge sind große Wissenslücken in der Forschung. Um diese zu schließen, haben sich Forscher der Universität Hohenheim in Stuttgart mit kanadischen Kollegen und Unternehmen zusammengetan. Im April gründeten sie das Netzwerk Medizinisch phytocannabinoidreiches (PCR) Cannabis.
Es besteht derzeit aus der Universität Hohenheim als nationalem Netzwerkkoordinator und sechs deutschen Unternehmen aus der Agrar- und Pharmabranche, davon zwei aus Baden-Württemberg. Kanadische Partner sind das National Research Council of Canada und kanadische Unternehmen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Mittelständler können eine Förderung von maximal 380 000 Euro pro Projekt beantragen.
Wie lässt sich Cannabis hektarweise ernten?
Das Netzwerk will zu vielen Fragen forschen: Wie gedeiht welche genetische Variante der Cannabis-Pflanze im mitteleuropäischen Klima? Welche Möglichkeiten gibt es, die Blüten zu nutzen? Wie lässt sich Cannabis hektarweise ernten? „Dass in der Cannabis-Pflanze viel Potenzial steckt, hat der Handel mittlerweile erkannt“, erklärt die Leiterin der Arbeitsgruppe Anbausysteme und Modellierung, Simone Graeff-Hönninger. Ursprünglich wurde Cannabis in Deutschland als Faserpflanze für Seile, Kleidung oder Papier angebaut.
Gesundheitsfördernde Stoffe ohne Rauschwirkung – die sogenannten Cannabinoide – sind die Hanf-Inhaltsstoffe, die das Potenzial der Pflanze in verschiedenen Branchen mitbegründen. Diese seien vor allem in der Medizin, Ernährung oder im Bereich der Körperpflege wertvoll, so Graeff-Hönninger. Laut der Forscherin steigt seit der Legalisierung in Deutschland im Jahr 2017 die Nachfrage nach Cannabis-Produkten, die sehr wenig der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, stetig an.
Forschung und Handel fehlt noch Wissen
Dem Handel fehle aber nicht nur das nötige Wissen, so Graeff-Hönninger, sondern auch der Zugang zu den Pflanzen. „Obwohl das verwendete Cannabis nicht als Rauschmittel verwendet werden kann, ist der Anbau in Deutschland streng geregelt.“ Die Forscher brauchen wiederum die Informationen der Unternehmen, welche Produkte in Planung sind oder von den Verbrauchern gewünscht werden. Zukünftig wollen die Forscher Züchter und Unternehmen beraten, welche Genetik für welches Produkt am geeignetsten ist, und für ausgewählte Pflanzen Saatgut bereitstellen.