Zu liebevoller Umgang mit dem Koalitionspartner? Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl. Foto: dpa

Wahlprognosen sind ungenau, mitunter sogar irreführend. Parteien beschäftigen sich trotzdem gerne damit. Jetzt bringt eine Umfrage neue Unruhe in die baden-württembergische CDU.

Stuttgart - Es ist gerade mal gut eine Woche her, dass die Spitzen der baden-württembergischen Christdemokraten nach ihrer Klausur im Kloster Schöntal öffentlich Einigkeit mit der neuen CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer demonstrierten und versuchten, einen Aufbruch zu erzeugen. Ende Mai stehen die Europawahl und Kommunalwahlen an. Das Thema Friedrich Merz oder eine zu frühe parteiinterne Debatte über den Landesvorsitzenden Thomas Strobl, seine Performance als stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister und eine mögliche Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2021 sollten da erst nicht aufkommen.

Doch jetzt gibt’s einen Umfrage-Schock für die Südwest-CDU: Laut einer von RTL/n-tv in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage würde sie bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg derzeit nur noch auf 23 Prozent kommen. Das sind vier Prozentpunkte weniger als beim Wahlergebnis 2016. Die Grünen liegen bei 33 Prozent, die AfD bei 13 Prozent, SPD und FDP bei neun Prozent sowie die Linke bei sechs Prozent. Könnten die Bürger in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten direkt wählen, würden sogar 59 Prozent ihr Kreuz bei Winfried Kretschmann (Grüne) setzen – nur fünf Prozent bei Strobl.

„Der Wert für die CDU gefällt uns natürlich nicht“

Forsa-Chef Manfred Güllner begründet die schwachen Werte der CDU vor allem damit, dass ihr „strikt konservativer Kurs gegen Merkel und pro Merz“ sich nicht ausgezahlt habe. Viele in der Partei halten diese Interpretation für ziemlich weit hergeholt. „Im Umkehrschluss könnte man auch sagen: Die Wähler sind enttäuscht, weil es Merz nicht geworden ist“, entgegnet einer.

Offiziell versucht die Landes-CDU, Ruhe zu bewahren. „Der Wert für die CDU gefällt uns natürlich nicht“, sagt eine Sprecherin. Er falle aber völlig aus dem Rahmen, was die Demoskopen bislang für Baden-Württemberg ermittelt haben. Klar sei: „Wir haben eine klare Idee für unser Land und an dieser arbeiten wir mit viel Energie und Lust geschlossen weiter. Entschieden wird dann am Wahltag – in mehr als zwei Jahren.“

Ein Strobl-Unterstützer merkt an, dass die CDU-Werte bei Forsa-Umfragen traditionell schlechter seien als bei anderen Meinungsforschungsinstituten. „Wir sollten das nicht überbewerten“, sagt er. Es sei „nicht einleuchtend“, warum der Unterschied zu den Grünen auf einmal zehn Prozentpunkte betragen solle.

Diesel-Fahrverbote schuld am Absturz?

Hinter den Kulissen rumort es allerdings schon jetzt gewaltig. Die einen Parteimitglieder, die Strobl ohnehin kritisch beäugen und ihn als untauglich für das Amt des Ministerpräsidenten einstufen, fühlen sich durch die Umfrage bestätigt. Es ist davon auszugehen, dass sie die Debatte über einen anderen Spitzenkandidaten (oder Spitzenkandidatin) für 2021 schon in nächster Zeit befeuern werden.

Aber auch einige der anderen, die Strobl schätzen und bislang unterstützen, rücken allmählich von ihm ab. Sie lasten ihm insbesondere an, dass er nicht alles versucht habe, um Diesel-Fahrverbote in Stuttgart abzuwenden, und sehen darin den Grund für die geringen Zustimmungswerte. „Das hat er jetzt von seinem liebevollen Umgang mit dem Koalitionspartner“, sagt einer.

In der Frage, wie Grün-Schwarz mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zur Luftreinhaltung umgehen soll, hatte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister einer Sprungrevision als Kompromiss mit den Grünen zugestimmt. Durch eine Berufung – die von der CDU zunächst angestrebte Option – wäre das Verfahren hingegen komplett neu aufgerollt worden. Anders als bei der Sprungrevision wären dann auch neue Aspekte wie die am Neckartor geplante Busspur und die positive Entwicklung der Schadstoffwerte berücksichtigt und neu bewertet worden. Viele Christdemokraten glauben, Fahrverbote hätten so abgewendet werden können.

Für Kretschmann wird das Regieren wohl nicht einfacher

Durch den Kompromiss blieb die Koalition zwar stabil. Mit Blick auf die eigene Partei und Wählerschaft sei es aber ein „schwerer Fehler“ gewesen, der Sprungrevision zuzustimmen, sagt ein CDU-Vorstandsmitglied.

In der CDU-Landtagsfraktion geht angesichts der Umfrageergebnisse die Angst um, dass dem Juniorpartner im Jahr 2021 das gleiche Schicksal droht wie der SPD nach der vergangenen Legislaturperiode: ein (erneutes) Wahldebakel und der Gang in die Opposition. Insofern dürften sich die Grünen nicht nur freuen über die hohen Zustimmungswerte für sie und Ministerpräsident Kretschmann. Vor allem für Kretschmann wird das Regieren mit dem Koalitionspartner voraussichtlich nicht einfacher werden. Man erwarte, dass die koalitionsinterne Situation schwieriger werde, heißt es auch in der Grünen-Fraktion.