Große Koalition: Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2009 mit ihrem damaligen Finanzminster Peer Steinbrück. Foto: EPA

Die CDU stellt sich aus Sicht von Forsa-Chefs ab 2013 auf eine Große Koalition im Bund ein.

Berlin - Angesichts der politischen Schwindsucht der FDP und der Erfolglosigkeit von Schwarz-Grün hält Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstitut Forsa, eine Koalition von Union und SPD nach 2013 für wahrscheinlich. 

Herr Güllner, die Union kann sich jetzt offenbar mit gesetzlichen Mindestlöhnen anfreunden. Ist das schon eine Vorbereitung auf die Neuauflage der Großen Koalition nach 2013?
Wenn keine Wunder mehr geschehen, wird die FDP nach 2013 kein Koalitionspartner mehr sein können. Sie ist so geschwächt, dass die CDU schlecht beraten wäre, das nicht zur Kenntnis zu nehmen. Dann bliebe für die Union nur Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün. Da aber hat der Fall Hamburg gezeigt, dass Schwarz-Grün der Union nicht guttut. Also stellt man sich auf die Große Koalition ein.

Verklärt sich gerade bei den Wählern der Rückblick auf die jüngste Große Koalition?
Die Große Koalition an sich ist von den Wählern nie kritisch betrachtet worden. Große Koalitionen haben bei Intellektuellen und Kulturkritikern einen schlechten Ruf. Dort sagt man, sie schadeten der Demokratie und stärkten die politischen Ränder. Empirisch ist das überhaupt nicht fundiert. Auch nach 2005 sind die Ränder nicht gestärkt worden. Die Große Koalition ist abgewählt worden, weil am Ende der Streit und das Belauern dominierten. Übrigens beurteilt auch die SPD die Zeit falsch, wenn sie nun sagt, der Juniorpartner in großen Koalitionen verliere immer. Die SPD hat sich nicht in der Großen Koalition ruiniert, sondern durch Protagonisten wie Herrn Beck, Frau Ypsilanti oder Frau Schwan.

Welche Koalitionspräferenzen haben denn die Unionswähler?
Die sehen natürlich auch die Schwindsucht der FDP. Da würden sie eine Große Koalition deutlich einem schwarz-grünen Bündnis vorziehen.

Wie wird denn das Thema Mindestlohn generell in der Bevölkerung gesehen?
Es gibt eine klare Mehrheit von über 80 Prozent, die einen gesetzlichen Mindestlohn begrüßt. Aber für die Wähler ist das kein wahlentscheidendes Thema.

Und was ist wahlentscheidend?
Es wird wohl weniger um ein bestimmtes Thema gehen als darum, welche Einschätzung die Bürger von der Kompetenz und der Glaubwürdigkeit der Parteien haben. Und es geht um die Einschätzung, welche Politiker sensibel sind für die Sorgen der Bürger.

Welche Rolle spielt Europa und die Euro-Krise?
Europa und Euro-Krise an sich spielen kaum eine Rolle. Das ist alles sehr abstrakt. Wer soll verstehen, wenn da von Hebeln geredet wird und mit unvorstellbaren Summen hantiert wird? Europa hat in deutschen Wahlkämpfen eigentlich nie eine Rolle gespielt. Aber sehr wichtig ist natürlich, welche Ängste aus der Euro-Krise nachwirken. Die Bürger fürchten um Auswirkungen auf die soziale Sicherheit in Deutschland, auch auf die Finanzausstattung der Kommunen. Deshalb wird gefragt werden: Welche Partei stellt sich schützend vor uns und nimmt unsere Sorgen ernst?

Es geht also um Vertrauen. Wie viel Vertrauenskapital hat die Kanzlerin denn noch bei den Bürgern?
Jedenfalls ist der Vertrauensbonus nicht mehr so groß, wie er einmal war. Bei der Bankenkrise 2008 hatte Angela Merkel eine geniale Formel gefunden, als sie über den damaligen Rettungsschirm sagte: Wir tun es nicht für die Banken, wir tun es für die Menschen. Dazu kam die Garantie für die Sparguthaben. Bei der Euro-Krise findet sie diese Formel nicht. Die Bürger zollen ihr für ihren Einsatz noch immer Respekt. Aber die menschliche Komponente fehlt.

Die Union verändert sich rasant. Manchem Konservativen zu rasant. Muss Merkel darauf Rücksicht nehmen?
Da macht die Union denselben Fehler wie die SPD. Die Volksparteien glauben, an ihren Rändern entstehe das Vertrauensvakuum. Aber das ist falsch. Es entsteht in der Mitte der Gesellschaft. Die SPD hat ja nicht in der Hauptsache am linken Rand verloren. Der Hauptteil der zehn Millionen Menschen, die sie zwischen 1989 und 2009 verloren hat, kommen aus der gesellschaftlichen Mitte. Und wer die Abwanderer von der CDU danach fragt, ob die Union konservativer werden solle, erhält eine glasklare Antwort: nein.