Duellanten um den WM-Titel: Nico Rosberg (links) und Lewis Hamilton Foto: AP

Lewis Hamilton, der Angreifer, Nico Rosberg, der Taktierer – so werden die Mercedes-Fahrer oft beschrieben. Das gilt auch fürs Agieren auf dem Podium vor dem Saisonfinale.

Abu Dhabi - Ein Shakehands will keiner. Weder Nico Rosberg noch Lewis Hamilton. Die klickende Masse der Fotografen muss sich damit zufriedengeben, dass die WM-Duellanten nur nebeneinander stehen, die Arme lässig nach unten hängen und die Gesichter freundlich schauen wie beim Klassenfahrt-Foto am Brandenburger Tor. Die Pressekonferenz vor der Entscheidung in der Formel-1-WM an diesem Sonntag (14 Uhr MEZ/RTL) in Abu Dhabi hat wenig von einem spektakulären Auftritt, wie das beim Boxen immer wieder vorkommt, wenn ein Kämpfer den anderen mit Worten herausfordert und der auf seine Art kontert.

Dabei hätte man es leicht inszenieren können, denn Automobil-Weltverband Fia gestattet den Kontrahenten eine eigene Pressekonferenz, unüblich im strengen Protokoll, was verdeutlicht, welche Bedeutung hinter diesem verbalen Medienduell steckt. Wieder spielen Rosberg und Hamilton ihre unterschiedlichen Rollen: Der amtierende Champion im schwarzen Team-T-Shirt mit schwarzer Kappe, mit drei Glitzerketten um den Hals und je einem fetten Brilli in den Ohren hätte den Glamourboy der Motorsportwelt nicht besser visuell darstellen können, als er vertieft ins Handy in Richtung Podium schlendert und dann erst mal die Journalisten filmt. Dagegen der reservierte Herausforderer, der kühle Motorsport-Analyst Rosberg, der im weißen Team-T-Shirt ohne Mütze durch die Reihen der etwa 80 Reporter nach vorn schreitet, der nur eine Armbanduhr als Accessoire trägt. Ein Handy hat er auch nicht dabei. Schwarz gegen Weiß.

Routiniert beantworten die beiden 31 Jahre alten Mercedes-Piloten die Fragen

So sitzen die beiden gespannt auf dem Podium, unsicher, wie weit der Gegner aus der Deckung gehen wird – und wie das auch im Boxring üblich ist, beginnen sie brav und defensiv. „Es hilft, dass ich mit einem Punktevorsprung ins letzte Rennen gehe“, sagt Rosberg nüchtern, „da kann man etwas relaxter sein.“ Hamilton vermeidet es, eine Antwort auf die Frage „welches Rennen hat dich am meisten von Nico beeindruckt“ zu geben. „Ich weiß, dass er schnell ist – das genügt.“ Nichts über den anderen sagen, keine Schwäche zeigen. Natürlich verschwendet Rosberg kein konkretes Wort, als er gefragt wird, wie sehr ihn die dritte Niederlage im WM-Kampf gegen den Briten schmerzen würde. „Daran zu denken hilft mir nicht“, sagt er energisch, zurückgiften konnte man es nicht nennen, „ich denke daran, das Rennen zu gewinnen.“ Positiv bleiben. Positiv.

Routiniert beantworten die beiden 31 Jahre alten Mercedes-Piloten die Fragen zu Titelchancen, Gedanken, Hoffnungen, was keine Überraschungen bringt und auch keine Einblicke in die Seele eines Piloten mit WM-Chancen gestattet. Rosberg wiederholt, er wolle Champion werden, am besten den Grand Prix gewinnen, es wäre für seine gesamte Familie ein grandioses Ereignis. Hamilton redet von der Chance, die er nutzen wolle, dass aufgeben keine Option darstelle und – wer hätte es nicht erwartet – dass in einem letzten Rennen ziemlich alles möglich sei. Wobei er da definitiv falsch liegt, Regen gibt’s es am Sonntag in Abu Dhabi nicht.

Hamilton versetzt Rosberg einen verbalen Nasenstüber

Die Protagonisten spulen routiniert ihr Programm ab; einer spricht, der andere macht auf unbeteiligt. Je länger die Runde dauert, umso mehr wagt sich Hamilton in die Offensive. „Es freut mich, dass Sie endlich mal auf meine Social-Media-Kanäle schauen“, sagt er gegenüber einem älteren Reporter, und die Wortbeiträge des dreimaligen Weltmeisters werden länger, ausführlicher, lockerer und angriffslustiger.

Es geht um das Verhältnis der Rennfahrer, die in Jugendtagen in einem gemeinsamen Team waren. „Wir haben zusammen die verrücktesten Dinge getan“, neckt Hamilton, „ich mache das heute noch, nur Nico hat sich geändert.“ Kurzer Blick rüber, Rosberg bleibt gelassen.

Bei den folgenden vier Fragen, die alle an den Champion gehen, holt der aus, als müsse er dezidiert über ein 24-Stunden-Rennen berichten – es scheint, als spüre er, wie diese langatmigen Erklärungen Rosberg zunehmend Verdruss bereiten. „Die Pressekonferenz mit uns zwei macht Spaß“, ulkt er und versetzt dem Gegner noch einen verbalen Nasenstüber. Doch auch den steckt der Deutsche weg, ohne mit der Wimper zu zucken. Nach fast 45 Minuten bleibt die Erkenntnis: Hamilton und Rosberg haben sich so verhalten, wie sie am Sonntag ins Rennen gehen – Hamilton greift an, er muss gewinnen, Rosberg kann zunächst abwarten und taktieren. Das Händeschütteln können sie ja nach dem Rennen nachholen – aber dann wird es einem verdammt schwerfallen.