Der Nabel der Formel-1-Welt: Lewis Hamilton steht nach seinen drei Titel auf der gleichen Stufe wie Niki Lauda und Ayrton Senna Foto: imago

Vier WM-Titel in zwei Jahren, Mercedes dominiert die Formel 1. Das freut die Silberpfeil-Fans wie auch die Konzernchefs von Daimler – doch Toto Wolff sagt in unserem Interview, er habe nicht einmal etwas dagegen, wenn es in der nächsten Saison einen spannenden Kampf um die WM geben würde.

- Glückwunsch, Herr Wolff, zum WM-Titel für Lewis Hamilton. Wie lange dauerte die Titel-Party in Austin?
Danke für die Glückwünsche. Die Party war großartig, es wurde viel getanzt und gesungen, die Stimmung war prächtig – leider musste ich mich wegen eines Termins hier in den USA ziemlich früh verabschieden. Das hat mir wirklich ein wenig leid getan für die Mannschaft.
Das heißt, das Mercedes-Rennteam bleibt in Nordamerika, weil bereits am Sonntag der Große Preis von Mexiko stattfindet.
So ist es. Es hätte keinen Sinn ergeben, nach Europa zurückzufliegen, um dann spätestens am Mittwoch wieder nach Mexiko zu jetten. Da spart man sich die anstrengende Reise und den Jetlag.
Müssen Sie sich vor dem Rennen in Mexiko-Stadt Ihre beiden Fahrer zur Brust nehmen, weil Nico Rosberg vor der Siegerehrung verächtlich eine Kappe in Richtung von Lewis Hamilton geworfen hat?
Sie sind doch von den Medien und kennen das Geschäft. Diese Szene ist total aufgeblasen worden.
Finden Sie?
Ja, natürlich. Es war direkt nach einem sehr intensiven Rennen, in dem ein Fahrer den Titel gewonnen hat, ein anderer seinen WM-Traum begraben musste. Dass dann ein paar Emotionen hochkommen, empfinde ich als völlig normal, das ist doch menschlich. Für uns gehören solche Vorkommnisse zum Tagesgeschäft.
Ich habe gelesen, Sie würden mit einer Eisenhand durchgreifen.
Vergessen Sie das, es wird kein Erdbeben bei Mercedes geben. Es trifft alles nicht zu. Richtig ist allerdings, dass wir uns über das harte Duell zwischen Nico und Lewis kurz nach dem Start in Kurve eins noch einmal unterhalten müssen. Aber das wird hinter verschlossenen Türen geschehen.
Der Ärger dürfte sich in Grenzen halten – Mercedes hat beide Titel in der Formel 1 gewonnen und stellt in Pascal Wehrlein auch den DTM-Champion. Wie hoch ist der Anteil des Motorsportchefs an diesen Erfolgen?
Ich kann mir dafür sicherlich keinen Kredit an die Kappe heften. Wir haben in beiden Serien eine unheimlich schlagkräftige Mannschaft, eine hoch motivierte Truppe, die diese Ziele gemeinsam erreicht haben. Diese Triumphe sind nicht das Werk eines Einzelkämpfers, es sind Team-Titel.
Glauben Sie, dass die 60 000 Plätze in der Mercedes-Benz-Arena bei Stars & Cars am 12. Dezember ausreichen?
Das kann ich nicht sagen, aber wir freuen uns, diese Erfolge in Stuttgart mit unseren Fans zu feiern. Diese Veranstaltung ist für uns ein bisschen, als würden wir diese Siege nach Hause bringen, zu unseren Fans in und um Stuttgart. Es ist unser Dankeschön für ihre Unterstützung.
Mercedes präsentiert in diesen Monaten stetig Absatzrekorde auf dem Fahrzeugmarkt – ein Resultat der Dominanz auf den Rennstrecken dieser Erde?
Siege am Sonntag, verkaufe am Montag – Sie kennen diesen klugen Spruch aus dem Motorsport doch auch. Das ist genau das, was ich unserem Vorstand immer wieder predige. (Pause. Lacht.) Aber jetzt im Ernst. Sicher haben diese Siege Auswirkungen aufs Marketing und einen Anteil an der positiven Markenbildung; natürlich strahlen diese Erfolge auf die Marke Mercedes und den Stern ab. Insofern ist das unser Scherflein, das wir im Unternehmen beitragen.
Was die Budgetverhandlungen für die Motorsport-Abteilung deutlich erleichtern dürfte, oder?
Das Motorsport-Engagement wird wie jede andere Investition im Konzern stets unter die Lupe genommen und einer Kosten-Nutzen-Analyse unterworfen. Auch im Erfolg werden neue Wege gesucht, die Effizient zu steigern und Strukturen zu optimieren. Das Geld wird nicht im Gießkannenprinzip verteilt, es wird zielgerichtet eingesetzt.
Ich will den Wert der vier WM-Titel in zwei Jahren nicht schmälern, aber der Formel 1 täte es gut, wenn Mercedes bald einen Gegner auf Augenhöhe bekäme. Sebastian Vettel zum Beispiel.
Jetzt lassen Sie uns doch ein wenig über diesen zweiten Titel in dieser Saison freuen, ein wenig muss man doch auch im Moment leben und ihn genießen. Aber selbstverständlich blicken wir schon nach 2016 – und ich gebe zu: Aus der Perspektive der Serie würde die Formel 1 noch attraktiver, wenn es zum Duell Mercedes gegen Ferrari käme, Lewis Hamilton und Nico Rosberg gegen Sebastian Vettel. Ferrari und Vettel wären fraglos würdige Gegner und den Fans würde bestimmt eine erstklassige Show geboten.
Die Entwicklung für 2016 ...
... hat längst begonnen, in den Fabriken läuft die Formel-1-WM 2016 für die Ingenieure schon seit einiger Zeit.
Und 2015 ist abgehakt, die Titel sind im Sack und in Mexiko, Brasilien und Abu Dhabi gehen Hamilton und Rosberg auf Spazierfahrt.
In dieses Spannungsloch dürfen wir nicht fallen, wir müssen und werden die Spannung im System halten – auch mit dem Blick auf die Entwicklung für 2016. (Pause.) Und außerdem geht es für Nico noch um die Vizeweltmeisterschaft, die ist dem gesamten Team sehr wichtig. In der Formel 1 geht es immer um Ergebnisse, um Rekorde – denn die sorgen für internationale Sichtbarkeit der Marke Mercedes. Genau darauf kommt es uns an.