Ein Sandsturm in Bahrain tauchte die Szene in ein diffuses Bild und machte die Aufgabe nicht einfacher für den Ferrari-Neuzugang Carlos Sainz. Foto: dpa/Hasan Bratic

Ferrari hat das erfolglose Vorjahresauto umfangreich überarbeitet, doch so mancher Experte rechnet nicht damit, dass die Scuderia mit dem SF 21 eine Chance gegen Mercedes und Red Bull haben wird.

Stuttgart/Bahrain - Das fängt ja gut an. Es war in der Formel-1-Saison 2021 noch kein Kilometer zurückgelegt, da hatte Ferrari die erste, zugegebenermaßen kleine Panne zu verdauen. Zwei Stunden vor der eigentlichen Präsentation des neuen Autos auf der Ferrari-Webseite am Mittwoch kursierte das Video bereits auf anderen Kanälen im Netz, Screenshots verbreiteten sich in Höchstgeschwindigkeit rund um den Globus. Eine technische Panne. Nun hat das Auto mit der Typenbezeichnung SF 21 seine ersten Testkilometer auf dem Wüstenkurs in Bahrain gemacht, dort wo am 28. März der Saisonauftakt über die Strecke geht. Auch dabei lief nicht alles rund. Charles Leclerc musste den roten Renner kurz vor der Mittagspause neben der Strecke parken. Ursache waren, es klingt bekannt, kleine Technikprobleme.

Auch bei Weltmeister Mercedes war noch ein wenig Sand im Getriebe, allerdings nicht deshalb, weil der Wind für kleinere Sandstürme sorgte. Valtteri Bottas musste den Silberpfeil zum Getriebewechsel abstellen, Champion Lewis Hamilton holperte auch mal neben der Piste und kam nur auf die zehntbeste Zeit direkt vor Leclerc. Ferrari-Neuzugang Carlos Sainz stand auf Rang fünf in der Liste. Natürlich sagen die Rundenzeiten wenig über die Konkurrenzfähigkeit aus, weil kein Team vom anderen weiß, mit welcher Motoreneinstellung, mit welchem Reifendruck und mit welcher Benzinlast die Rennwagen unterwegs sind. Zudem ist es wahrscheinlich, dass an den Autos bis zum Auftakt-Grand-Prix noch das eine oder andere Teil verändert wird. Williams hat verraten, dass es zum Rennen ein Upgrade geben könnte, bei Haas sollen ein neuer Frontflügel und eine neue Motorenabdeckung montiert werden. Vielleicht hat auch Ferrari noch etwas in der Pipeline, was die Gegner nicht erfahren sollen.

Das Chassis ist das gleiche wie 2020

Die Ingenieure der Scuderia haben kräftig gewerkelt am alten SF 1000, um ihn zum SF 21 zu transformieren. Das war bitter nötig, das Traditionsteam schloss die Saison 2020 als Sechster der Konstrukteurs-WM ab, mit kaum einem Viertel der Punkte, die Mercedes gesammelt hat – was für die Ferraristi eine Demütigung darstellte. Das Ergebnis sind viele neue Winglets (kleine Flügel) und Luftleitelemente, im Heck arbeiten ein neuer Verbrenner sowie ein überarbeitetes Getriebe samt neuer Hinterrad-Aufhängung. Wegen der Umstellung im Kühlsystem hat Ferrari die Luftführung an der Front- und Seitenpartie des Fahrzeugs verändert, der Lufteinlass über dem Cockpit ist größer, die Öffnungen in den Seitenkästen sind kleiner, es wurde dem Auto eine neue Nase samt neuem Frontflügel verordnet – einzig das Chassis und die Vorderrad-Aufhängung haben die Ingenieure vom Vorjahresmodell übernommen. „Wir wollten einerseits das aerodynamische Handicap der neuen Regeln wettmachen und andererseits den Luftwiderstand reduzieren“, erläuterte Chefdesigner Enrico Cardile die Evolution, „als wir das Projekt SF 21 begonnen haben, mussten wir uns sofort für einen Bereich des Fahrzeugs entscheiden, in dem wir eine radikale Änderung durchführen würden. Wir haben uns für das Heck entschieden.“

Ferrari ändert viel am heck des Autos – ein Fehler?

Das könnte sich als falsche Strategie erweisen, zumindest vermutet das Gary Anderson. Der ehemalige Jordan-Techniker ist der Ansicht, dass die Scuderia sich nicht aufs Heck hätte konzentrieren sollen. „Ich denke nicht, dass ich das Auto sehe, das Mercedes oder Red Bull schlagen wird“, teilte der 70-Jährige im Internet mit, und betonte, dass die Truppe um Teamchef Mattia Binotto die Verbesserungen in der Nase des Autos verschlafen habe. Wie erfolgreich Ferrari bei den Großen Preisen sein wird, dürfte vor allem vom Motor abhängen. Bis zu 65 PS fehlten dem Triebwerk vergangene Saison auf Branchenführer Mercedes, weshalb die Antriebseinheit überarbeitet und dabei gleich die Anordnung der verschiedenen Elemente wie Turbolader und Kompressor verändert wurde. Wie viel frische Pferdestärken die Techniker damit freigesetzt haben, ist für Außenstehende noch unklar. Auch der erste Testtag gab keinen erhellenden Aufschluss.

Selbst wenn Andersons Prophezeiung wahr werden sollte, selbst wenn der Motor nicht mit dem des Silberpfeils mithalten kann, selbst wenn Ferrari nicht hinter den Topteams Mercedes und Red Bull sich als erster Verfolger einordnen kann, würde Teamchef Binotto nicht in Sack und Asche durchs Fahrerlager wandeln. „Diesen Rückstand, kann man nicht in einem einzigen Winter aufholen“, verkündete der Italiener, um einer möglichen Enttäuschung bei den Fans vorzubeugen. Bei dem Team aus Maranello gilt zwar das Motto „volle Kraft voraus“ – aber nicht unbedingt für dieses Jahr, sondern für das Auto der Saison 2022. Dann wird eine neues technisches Reglement gelten, das die Rennställe zwingt, die Autos völlig neu zu entwickeln. Damit soll der Abstand zwischen den Teams verringert werden. „Wir werden uns in Sachen Entwicklung nicht groß mit 2021 beschäftigen“, hat Binotto schon vor der Präsentation des SF 21 wissen lassen. Den Ferraristi steht womöglich noch ein schlimmes Jahr bevor.