Romain Grosjean macht das Beste aus einer ziemlich verfahrenen Situation: Der Franzose konzentriert sich vornehmlich aufs Autofahren. Foto: Getty

Turbulenzen im Team Lotus: Pilot Romain Grosjean steht im Fahrerlager vor verschlossenen Türen und das Auto ist nicht fertig, weil die Teile nicht rechtzeitig in Suzuka sind.

Suzuka - Romain Grosjean musste draußen bleiben. Die Türen der Hospitality von Lotus, dort, wo Gäste und Teammitarbeiter verpflegt werden und sich die Reporter mit den Fahrern unterhalten, waren verschlossen. Sie aufzubrechen hätte nicht viel genützt, das Fertighaus-Gebäude war leer. Der französische Rennfahrer stand im Regen, was ganz ins Bild des Formel-1-Teams Lotus passte. Denn der Rennstall steht seit Wochen kurz vor der Insolvenz – die Hospitality blieb in Suzuka verschlossen, weil Rechnungen des Vorjahres an den Streckeninhaber noch offen waren. Also sperrten die Japaner die Schuldner aus. Ein Lotus-Sprecher erklärte die Zahlungsverzögerung ein wenig hilflos mit der „Zeitverschiebung zwischen Großbritannien und Japan“.

In Singapur musste sich das Team Möbel ausleihen, weil der Spediteur die Einrichtung einbehalten hatte, ebenfalls wegen offener Rechnungen. Teammitglieder arbeiteten vom Hotel aus, da das interne Netzwerk nicht mit dem Internet verbunden war. In Suzuka setzte sich das Tohuwabohu fort. Teile des Autos trafen nicht ein, der Bolide war am Donnerstagnachmittag nicht fahrbereit. „Solange die Mechaniker den Rückstand bis Freitag, 14 Uhr, aufholen, bin ich zufrieden“, sagte Grosjean fatalistisch, der beim improvisierten Pressegespräch vor der Lotus-Hospitality unter einem Regenschirm Schutz gesucht hatte. Das Team hangelt sich von Woche zu Woche, es wartet sehnlichst darauf, dass Renault den Rennstall übernimmt und die Ausstände begleicht.

Lotus ist nur eines der Teams, das seit langem darum kämpft, trotz finanziellen Schlingerkurses nicht aus der Kurve zu fliegen. Vor der Saison hatte Caterham die Garage dichtgemacht, Manor-Marussia hatte ziemlich überraschend doch noch einen Investor überzeugt, Sauber, Force India und auch Williams sparen an allen Ecken und Enden. Eine kleine Bestandsaufnahme.

Manor-Marussia: Das russische Team Marussia war 2014 in finanzielle Schieflage gekommen, hatte gut 90 Millionen Euro Schulden und wurde erst kurz vor Saisonstart 2015 per Übernahme durch den Briten Stephen Fitzpatrick gerettet. Vor dem Singapur-Grand-Prix setzte das Team Alexander Rossi ins Auto und stellte Roberto Merhi (Spanien) frei – der US-Fahrer hatte einige Millionen Euro im Gepäck, Manor kann so wohl die Benzinrechnungen sowie die übrigen Kosten bis Saisonende bestreiten. „Mir war klar, dass ich den Job los bin, sobald einer genügend Bares mitbringt“, sagte Merhi. Es war bekannt: Diese Überlebensstrategie hat Manor-Marussia stets vertreten.

Sauber: Auch die Schweizer standen vor dem Schiffbruch, die gefährlichsten Klippen hat Teamchefin Monisha Kaltenborn umschifft, doch in sicheren Gewässern befindet sie sich noch längst nicht. Kürzlich gab der Rennstall bekannt, dass Marcus Ericsson (Schweden) und Felipe Nasr (Brasilien) auch nächste Saison in den Cockpits sitzen werden – die Teamchefin erklärte, der „frühe Zeitpunkt der Bestätigung zeigt, dass die Fahrer und das Team überzeugt sind, auf dem richtigen Weg zu sein“. Fakt ist aber auch, dass Ericsson 20 Millionen Euro mitbringt und Nasr seit Jahren von der Banco do Brasil gefördert wird, dem größten Finanzinstitut Lateinamerikas. Das Wort „Paydriver“ hasst Monisha Kaltenborn: „Ich finde die Bezeichnung respektlos. Die Fahrer haben das Beste getan und gezeigt, wozu sie fähig sind.“

Lotus: Retten kann den Rennstall wohl nur Renault – obwohl der Handel so gut wie sicher zu sein scheint, unterschrieben ist noch nichts. Angeblich bietet Renault für Lotus 57,5 Millionen Euro. 7,5 Millionen würden bei Vertragsunterzeichnung überwiesen, die restliche Summe flösse über zehn Jahre. Der französische Autohersteller würde 2016 als Werkteam an den Start gehen. Force India: Vor der Saison fehlten dem indischen Team 15 Millionen Euro im Etat, hieß es. Kingfisher, die Fluglinie von Teameigner Vijay Mallya, war pleite, das Formel-1-Team stand kurz davor. Die Testfahrten in Jerez wurden ausgelassen – 500 000 Euro gespart. Dann wurde es ruhiger, zwar drangen keine guten, aber auch keine schlechten Nachrichten nach draußen. Vor einigen Tagen wurde nun der Vertrag von Pilot Sergio Perez verlängert, für zwölf Millionen Euro. Die bekommt nicht der Mexikaner als Salär, die zahlt sein Sponsor an den Rennstall.

Williams: Das Traditionsteam schrieb 2014 rote Zahlen, etwa 40 Millionen Euro Verlust, schätzten Analysten. Das lag mit daran, dass alte Schulden bezahlt wurden. „Für 2015 erwarten wir ein signifikant besseres Ergebnis“, sagte Geschäftsführer Mike O’Driscoll. Aus dem Geldtopf von Bernie Ecclestone flossen für den WM-Dritten Prämien in Höhe von etwa 75 Millionen Euro, dazu kommen die 40 Millionen Euro, die Fahrer Pastor Maldonado von der venezolanischen Ölindustrie als Mitgift erhält. Ohne den Südamerikaner müsste Williams deutlich knapper kalkulieren. Doch Luxus ist wie bei allen anderen Privatteams ein Fremdwort.