Pascal Wehrlein absolviert in Melbourne für Manor Racing seinen ersten Formel-1-Grand-Prix. Foto: Getty

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff will Pascal Wehrlein zu einem potenziellen Champion aufbauen. Natürlich im Silberpfeil.

Stuttgart - Eddie Jordan spielt gelegentlich Schlagzeug, und womöglich ist das die Ursache dafür, dass der ehemalige Teamchef auch in der Formel 1 als Experte immer mal wieder kräftig auf die Pauke haut. Verbal natürlich. „Pascal Wehrlein wird im Silberpfeil landen“, sagte der Ire kürzlich mit einer derart festen Überzeugung in der Stimme, die jedem Ehemann glänzend zu Gesicht stünde, sollte die Gattin einmal fragen: „Liebst du mich noch?“ Eddie Jordan hält viel von dem 21 Jahre alten Burschen, der 1994 in Sigmaringen geboren wurde und der noch heute im elterlichen Haus in der 700-Seelen-Gemeinde Worndorf lebt.

Mit seiner Einschätzung steht Mister Jordan aus Dublin nicht alleine, auch Toto Wolff sieht in Pascal Wehrlein einen Rohdiamanten im Grand-Prix-Geschäft – und die Meinung des Österreichers ist für den Neuling weit mehr wert, denn Wolff ist Mercedes-Motorsportchef und hat letztlich auch die Macht darüber, wer ein Silberpfeil-Cockpit bekommt und wer nicht. „Wir wollen Pascal eines Tages im Silberpfeil sehen“, umreißt der 44-Jährige die Personalplanung im Mercedes-Rennstall, „und deshalb ist dieser Karriereschritt für ihn ein ganz wichtiger.“

An diesem Sonntag (6 Uhr/RTL) wird Pascal Wehrlein im Albert Park von Melbourne sein erstes Formel-1-Rennen bestreiten, Mercedes hat ihn beim Rennstall Manor untergebracht und für diesen Ausbildungsplatz – nach unbestätigten Gerüchten – vier Millionen Euro überwiesen. 2016 soll der DTM-Champion von 2015 im Formel-Rennsport sein Gesellenstück abliefern. Der Erfolg wird sich nicht unbedingt in WM-Punkten messen lassen, auch nicht in Top-Ten-Platzierungen – Manor hat zwar kräftig aufgerüstet, hat sich mit den Ingenieurs-Größen Dave Ryan (früher McLaren), Pat Fry (McLaren, Ferrari) und Aerodynamiker Nikolas Tombazis (McLaren, Ferrari) verstärkt, doch der Lernbedarf beim letztjährigen WM-Schlusslicht ist groß. Wie bei Wehrlein. Wolff erwartet von seinem Protegé, dass der „zeigt, wie er sein Team vorwärts bringt, wie er mit den Ingenieuren arbeitet und wie er persönliche Ziele setzt und erreicht“.

Gute Voraussetzungen für Wehrlein

Der Musterschüler von Mercedes weiß genau, dass diese Saison wahrscheinlich über seinen Weg in der Formel 1 entscheidet. Er weiß, dass er seine Ansprüche an Rennergebnisse den Gegebenheiten anpassen muss, dass er nicht mehr wie in der DTM und in den Nachwuchsklassen zuvor, um Podiumsplatzierungen oder gar Rennsiege mitkämpfen kann. „Eigentlich will ich immer gewinnen“, bekennt er, „aber ich muss mich nun auf andere Weise motivieren.“ Eine wichtige Benchmark ist schnell gefunden: Der Deutsche will auf jeden Fall vor Teamkollegen Rio Haryanto (Indonesien) landen, in der Qualifikation wie im Rennen. Bei jedem der 21 Großen Preise. Dieses Vorhaben umzusetzen wäre auch ein Indiz dafür, dass Wehrlein tatsächlich mehr Benzin im Blut hat als viele andere junge Rennfahrer – denn Haryanto gilt in Fachkreisen nicht gerade als ultimatives Supertalent; der Indonesier wurde ins Manor-Cockpit gehievt mithilfe von 15 Millionen Euro, die der indonesische Jugend- und Sportminister aus der Staatskasse beschafft hat. „Ich glaube nicht, dass Rio so schlecht ist, wie er von vielen gemacht wird“, entgegnet Wehrlein, „er war immerhin Gesamtvierter in der GP2-Serie.“

Damit der jüngste Stern am Mercedes-Himmel noch an Strahlkraft zulegen kann, dafür hat Toto Wolff sich ins Zeug gelegt – als Finanzinvestor weiß er, dass man einen Masterplan benötigt, um die Aussicht auf eine satte Rendite zu bekommen. Also wurde mit Manor Racing, das aus dem insolventen Marussia-Team hervorgegangen ist, ein Liefervertrag für Antriebseinheiten geschlossen – so erhält der Rennstall die beste Power Unit der Formel 1, was die Chance erhöht, ins Mittelfeld aufzurücken. Williams, wo Wolff bis vor kurzem Teilhaben gewesen ist, stellt für Manor das Getriebe und die Hinterachse bereit. Darüber hinaus soll der Mercedes-Motorsportchef seine Finger mit im Spiel gehabt haben, als es galt, den erfahrenen Dave Ryan (61) als Renndirektor zu installieren. Gute Voraussetzungen für Wehrlein – Wolff baut den Debütanten behutsam auf, durchaus ähnlich hat einst McLaren-Eminenz Ron Dennis den kleinen Lewis Hamilton zu einem großen Rennfahrer geformt.

Das Gerücht, Mercedes habe Wehrlein mit vier Millionen Euro Mitgift für das Manor-Cockpit ausgestattet, stellt für Eddie Jordan keinen Makel dar. „Michael Schumacher war doch auch Bezahl-Fahrer“, sagt er keck. Er weiß es genau: 1991 erhielt er als Teamchef 150 000 Pfund (heute 191 000 Euro), damit er den Unbekannten aus Kerpen in sein Auto setzte. Die Summe kam von Mercedes.