Lando Norris gibt den Fans, was sie wollen: ein Foto mit ihm. Vielleicht wird daraus ja mal ein Foto mit einem Weltmeister... Foto: Getty

Lando Norris hat im McLaren bislang 20 Punkte gesammelt und wurde zuletzt in Österreich Sechster. In seinem ersten Formel-1-Jahr zeigt der 19 Jahre alte Engländer sein enormes Potenzial.

Stuttgart - Spätestens seit dem Dirndl- und Blasmusik-Grand-Prix in Österreich steht fest: Max Verstappen und Charles Leclerc sind die Weltmeister von morgen. Doch vor dem Silverstone-Rennen am Sonntag im Mutterland der Serie haben die Engländer natürlich etwas in der Hinterhand. Lando Norris heißt er, ist zarte 19 Jahre alt, geboren in Bristol. Da stellt sich an der Bar noch nicht die Frage, ob gerührt oder geschüttelt – Norris bevorzugt Vollkornkekse mit Milch.

 

In einem Spaßvideo lässt sich der 1,70 Meter große Engländer von seinem 24 Jahre alten McLaren-Partner Carlos Sainz jr. füttern: hier ein Chip, da ein Snack, dort eine Scheibe spanischer Salami – die neue Charme-Offensive des unter Ron Dennis jahrelang emotionslos geführten Rennstalls ist bemerkenswert. Der Spanier Sainz und Norris verkörpern den Aufbruch des Traditionsrennstalls in ein neues Zeitalter: Alles ist lustiger geworden, offener, sympathischer. Vor allem der junge Engländer nährt die Hoffnung, dass es weitergehen wird mit der britischen Formel-1-Herrlichkeit, sollte der immerhin auch schon 34 Jahre alte Seriensieger Lewis Hamilton mal Lust auf etwas anderes bekommen – etwa Mode oder Musik.

Frech und unverbraucht

Frisch, frech, unverbraucht – das jedenfalls ist Lando Norris. Sein sechster Platz zuletzt beim Großen Preis von Österreich legte Zeugnis ab von seinem enormen Talent.

Sie haben den hochveranlagten Bengel schon mit so viel Vorschusslorbeeren dekoriert, dass ein anderer Nachwuchsmann daran womöglich zerbrochen wäre. Norris behält dagegen tapfer seinen Humor. „Ich habe ja nicht mal seine Nummer“, sagt er, wenn sie wissen wollen, ob der große Brite Hamilton dem kleinen Briten Norris mal ein paar Tipps gibt. Und die Startnummer 4 hat er sich ausgesucht, weil er in den sozialen Medien unter „L4ndo“ auftritt. Warum die 4? „Die Geschichte ist, dass es keine Geschichte dazu gibt“, sagt der Lausejunge trocken.

Lando Norris, der das Herz am rechten Fleck hat – sie mögen ihn bei McLaren und haben seinen Vertrag jetzt bis 2020 verlängert. „Er ist ein außergewöhnliches Talent“, sagt der Teamchef Zak Brown über den intelligenten Piloten mit der erstaunlichen Grundschnelligkeit. Parallelen zu Hamilton gibt es auch. Wie der fünfmalige Weltmeister ist auch Norris ein Kind der McLaren-Schule, und seine Entwicklung ist rasant.

Norris gehört der Playstation-Generation an. Als Knirps war er nicht wegzubekommen vom Computer, mit 14 wurde er (wie auch Hamilton) Kartweltmeister, danach fegte er wie ein Wirbelwind durch die Nachwuchsklassen. Er zeigte unter anderen den deutschen Begabungen Maximilian Günther und Mick Schumacher die Auspuffrohre und gewann in nur einem Jahr gleich drei Juniorenmeisterschaften auf einmal – so versägte auch der junge Hamilton die Jungs im Zahnspangenalter.

Der Papa bezahlt

Der Unterschied ist: Hamilton wuchs in einfachen Verhältnissen auf, während der Vater von Lando Norris mit dem Verkauf von Versicherungen so viel Geld verdiente, dass er mit 36 Jahren zumindest in dieser Branche in den Ruhestand abtauchte. Die Rede ist von einem 200-Millionen-Euro-Vermögen, über das Papa Adam verfügen soll und so die Karriere seines Sohnes lässig finanzieren konnte. Vergleiche mit dem Milliardärssöhnchen Lance Stroll, dessen Vater Lawrence wie im Vorbeigehen das Racing-Point-Team kaufte, um dem Spross ein Formel-1-Cockpit zu besorgen, nerven Lando Norris gewaltig. „Ich mag es nicht, permanent darüber zu reden, aber verglichen mit Stroll ist er nicht einmal annähernd so wohlhabend“, sagte der McLaren-Pilot über seinen Vater und wehrt sich gegen das Vorurteil, nur ein aus gutem Hause kommender und damit protegierter Junge zu sein.

Zehn Briten haben insgesamt 18 Formel-1-Titel gewonnen, das ist nach wie vor der unangefochtene erste Platz – auf Rang zwei folgen die Deutschen Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Nico Rosberg mit ihren zwölf gewonnenen Weltmeisterschaften. Die Statistik zeigt noch immer, dass die Formel 1 in erster Linie britisch geprägt ist, zumal sechs der zehn Teams auf der Insel ihre Autos bauen, darunter auch Renault und Mercedes. Insofern ist der Auftritt von Lando Norris in Silverstone eine Angelegenheit von nationalem Interesse. Doch unter Druck setzen lassen will er sich von der allgemeinen Unruhe nicht. „Ich freue mich auf die Atmosphäre“, sagt er.

Beeindruckende Disziplin

Lando Norris hat sich derweil für sein erstes Formel-1-Jahr eine beeindruckende Disziplin verordnet: Partys finden ohne ihn statt. „Davon will ich mich fernhalten. Ich will nichts Dummes tun und meine Karriere aufs Spiel setzen“, sagt der Engländer, der zwar auf einer elitären Privatschule vorbereitet wurde auf den Ernst des Lebens, doch außer Milch vor allem noch Mode mag – so wie Lewis Hamilton.

Die beiden sollten tatsächlich mal miteinander telefonieren.

Zur Fotostrecke mit allen britischen Formel-1-Weltmeistern.