Ganz schön abgefahren: Wegen zu wenig Reifendruck kann Weltmeister Lewis Hamilton erst spät über seinen Monza-Sieg jubeln. Foto:  

Mit Stresssituationen kennt sich Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton aus. In Monza fuhr der Silberpfeil-Pilot souverän zum Sieg. Danach wurde der Druck für ihn aber zum Problem – und auch für sein Mercedes-Team.

Monza - Vergnügungssteuerpflichtig waren die zwei Stunden nach seinem Rennsieg in Monza für Lewis Hamilton nicht. Die Nervenschlacht hätte sich der Formel-1-Weltmeister gerne erspart. Anstatt mit seiner Crew zu feiern, musste der Brite um seinen Erfolg beim Großen Preis von Italien fürchten. Messungen vor dem Rennen hatten bei seinem linken Hinterreifen einen zu niedrigen Druck ergeben. Der Wert, der ermittelt wurde, war 0,3 PSI unter dem festgelegten Minimum von 19,5 PSI. Sogar die Annullierung seines Erfolgs war möglich.

Mercedes stand unter Reifen-Druck. Aber nur kurz. Am Ende löste sich die zweieinhalbstündige Untersuchung in Wohlgefallen auf. „Keine weiteren Folgen“, lautete das Urteil des internationalen Automobilverbandes Fia, der Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und Technikchef Paddy Lowe zuvor zur Anhörung gebeten hatte. Keine Strafe also! Aber warum das? Schließlich hatte Williams-Technikchef Pat Symonds zuvor eine Disqualifikation Hamiltons gefordert: „Je weniger Druck verwendet wird, desto besser wird die Leistung auf der Strecke – auf Kosten der Sicherheit“, sagte er und fügte an: „Regeln sind Regeln.“

Und im Grunde hat der Brite, dessen Fahrer Felipe Massa und Valtteri Bottas durch eine Disqualifikation des Siegers auf die Ränge zwei und drei gespült worden wären, ja auch recht. Wenn es da nicht eine Lücke im Regelwerk geben würde: Bislang war nicht klar festgelegt, wann der Druck gemessen wird. In der durchregulierten Formel 1 läuft eben auch nicht immer alles rund.

Mercedes sah sich als unschuldig an

Mercedes sah sich jedenfalls als unschuldig an. Toto Wolff hatte stets versichert, dass sein Team sich „an das vorgeschriebene Prozedere gehalten hat“. Das war nach den Reifenplatzern von Ferrari-Pilot Sebastian Vettel und Silberpfeil-Fahrer Nico Rosberg in Spa geändert worden. Reifenhersteller Pirelli hatte neue Richtwerte für den Druck ausgegeben – aus Sicherheitsgründen. Und so war bei Hamiltons Auto unter Aufsicht eines Pirelli-Ingenieurs der Reifendruck gemessen worden. Da war alles okay. Als die Fia-Kontrolleure wenig später den Druck geprüft hätten, waren die Heizdecken abgeschaltet. Dadurch war der Druck an einem von vier Pneus gesunken. Logisch, aus Sicht von Mercedes: Es sei normal, dass der Druck in einem Reifen sinkt, wenn die Temperatur sinkt.

Hamilton verstand das Wirrwarr ohnehin nicht. Sein Druckunterschied (0,3 PSI) sei so klein gewesen, dass daraus kein Wettbewerbsvorteil entstehe: „Dieser kleine Unterschied macht nichts aus, zumal es nur ein Reifen war“, sagte er. Und Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda garantierte: „Wir haben in keiner Weise versucht zu spielen.“

Dafür hatte der Rennstall, nachdem er während des Rennens von den Ermittlungen informiert worden war, einen Versuch gestartet: Um eine mögliche 25-Sekunden-Strafe mit genügend Vorsprung auf den zweitplatzierten Vettel zu kompensieren, wurde Hamilton während der letzten Runden animiert, schneller zu fahren. Sehr zum Ärger des WM-Führenden: „Die letzten paar Runden waren nicht cool“, maulte er.

Zufrieden dürfte ihn aber stimmen, dass es Konsequenzen geben soll. Die Rennkommissare haben Pirelli und die Fia angehalten, die Messungen klar zu regeln – auch, um wieder Druck aus der Formel 1 zu nehmen.