Bis 2013 war Red Bull der Branchenführer in der Formel 1 – diese Rolle hat nun Mercedes übernommen Foto: Getty

Red Bull enttäuscht beim Saisonstart der Formel 1. Grund genug, die Schuld für die Misere zunächst bei den anderen zu suchen. Doch ganz so einfach ist die Ursachenforschung natürlich nicht.

Melbourne/Stuttgart - Doppelsieg für Mercedes mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg im Melbourne, Red Bull hinter Ferrari, Williams und Sauber: Daniel Ricciardo Sechster, Daniil Kwjat ausgeschieden. Für Toto Wolff ist Red Bull ein schlechter Verlierer. Ein ganz schlechter. „Es gibt in Jerusalem diese Mauer, da kann man sich hinstellen und klagen. Vielleicht sollten sie dahin gehen“, lästerte der Mercedes-Motorsportchef. Ihn nervt die ständige Kritik der Teamleitung des einstigen Branchenführers, die nicht müde wird, am aktuellen Primus herumzunörgeln. Oder am Motorenreglement oder der Dominanz der Silberpfeile oder der Struktur der Serie.

Jammer-Bullen hat Wolff zum Fressen gern. „Wenn du in der Formel 1 antrittst, auf höchstem Niveau arbeitest und nach dem ersten Rennen jammerst, es müsse was ausgeglichen werden – so haben wir das nicht gemacht“, polterte der 43-Jährige und erteilte dem Konkurrenten einen Gratis-Tipp: „Verdammt noch mal: Konzentrieren, hart arbeiten und die Probleme lösen.“

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Was in aller Welt hat den Mercedes-Mann entzürnt, dass er ein so deutliches Echo loslässt? Red Bull, schon 2014 chancenlos gegen Mercedes, hatte nach dem enttäuschenden Saisonauftakt wieder mal heftige Kritik an der Königsklasse geäußert und als besonderes Ausrufezeichen mit Ausstieg gedroht. „Wir sind unzufrieden damit, wie die Formel 1 regiert und geführt wird“, sagte Red-Bull-Berater Helmut Marko: „Deshalb wird bei uns auch über ein Ausstiegsszenario nachgedacht, wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht mehr aufgeht.“

„Vorne fahren einsam zwei Autos"

Das Team, das von 2010 bis 2013 jeweils Fahrer- und Konstrukteursweltmeister war, erinnert an den Buben, der feststellt, dass ein anderer ein tolleres Spielzeug besitzt – und der dann sein eigenes enttäuscht in die Ecke pfeffert. Mit Einführung des neuen Reglements 2014 war es vorbei mit der Herrlichkeit, nach Ansicht von Red Bull führen die Neuerungen zu Langeweile.

„Vorne fahren einsam zwei Autos, dahinter wird nicht überholt“, sagte der 71 Jahre alte Marko. Zudem beklagt die graue Eminenz des Rennstalls erneut, dass die vom Automobil-Weltverband Fia angeschobenen Regeländerungen ausschließlich die Red-Bull-Dominanz brechen sollten, eigene Vorschläge seien in der Vergangenheit wiederholt abgelehnt worden. „Laufend wurden Ideen von uns verboten, um uns einzubremsen. Zum Beispiel der angeblasene Diffusor und die Motorsteuerung“, sagte Adrian Newey, der jahrelang das überlegene Chassis entworfen hatte: „Bei Mercedes sagt keiner was.“

Ein Stück weit sind solche Drohungen auch Politik, wer in der Formel 1 schmollt, fällt durch den Rost. Man darf also davon ausgehen, dass Rennstall-Eigner Dietrich Mateschitz seine beiden Teams Red Bull und Toro Rosso nicht gleich morgen zum Verkauf ausschreibt. Es wäre ohnehin die einzige Möglichkeit, vor 2020 auszusteigen – denn vertraglich ist Red Bull bis dahin an die Königsklasse gebunden.

Verbale Ohrfeige trifft Renault

Ein Teil der Enttäuschung projiziert Red Bull noch auf Motorenpartner Renault. Die Franzosen, die nur Red Bull und Schwesterteam Toro Rosso beliefern, bekamen übers Wochenende nicht nur eine verbale Ohrfeige ab. RB-Teamchef Horner („der Motor hat 100 PS weniger als bei Mercedes und ist schlechter als der von 2014“), Designer Newey („sie bekommen es nicht auf die Reihe“) und Rennfahrer Ricciardo („der Motor ist unfahrbar“) machten ihrem Ärger medial Luft.

Natürlich weiß Renault-Motorenchef Cyril Abiteboul, dass der Antriebsstrang nicht an Mercedes-Qualität heranreicht, aber er beklagt auch die Umgangsformen, derer sich Red Bull bedient. „Es geht um mehr Respekt, mehr Klarheit darüber, wer welche Verantwortungen trägt“, sagte er, „es heißt nicht einfach: Ihr liefert den Motor, und wir zahlen den Preis. Es ist komplexer.“

Nach dem Ausweg wird gesucht, zwei Routen sind denkbar. Renault könnte Toro Rosso übernehmen und zum Werkteam umbauen, Red Bull wäre dann Premiumkunde. Kürzlich haben drei Renault-Ingenieure die Toro-Rosso-Fabrik in Faenza besucht. In Melbourne wurde zudem gemunkelt, Red Bull flirte mit Audi über eine mögliche Motorenpartnerschaft.

Sieht ganz so aus, als folge Red Bull bereits Toto Wolffs Rat – und beginne hart zu arbeiten und die Probleme zu lösen.