Kimi Räikkönen ist einer von zwei Finnen in der Formel 1 – ein Italiener fährt nicht mit. Foto: AP

Seit sieben Jahren gibt es keinen italienischen Stammfahrer mehr in der Formel 1. Das liegt wohl auch an der wirtschaftlichen Schieflage des Landes.

Monza - Vitantonio Liuzzi ist ein lustiger Geselle. Er schaut mal eben an alter Wirkungsstätte vorbei und zischt bei Toro Rosso eine Cola. Es ist heiß in Monza, wo der Italiener zu Gast ist, und alle alten Bekannten herzlich begrüßt. Küsschen hier, Küsschen da, so läuft das in Italien. Monza ist ein Pflichttermin für Leute aus der Formel-1-Geschichte. Und das sind die italienischen Rennfahrer allemal.

Vitantonio Liuzzi beendete 2011 seine Formel-1-Karriere, das war auch die letzte Saison seines Landsmanns Jarno Trulli. Seither gab es keinen italienischen Stammfahrer mehr in der Formel 1. Am Sonntag findet der Große Preis von Italien statt, aber es hockt kein einziger Italiener im Auto – Mamma mia! Im vergangenen Jahr vertrat der Testpilot Antonio Giovinazzi in Australien und China den Deutschen Pascal Wehrlein, der sich bei einem Showrennen in Miami überschlagen und verletzt hatte. Das waren die einzigen Formel-1-Auftritte eines Italieners nach dem Rückzug von Liuzzi und Trulli vor sieben Jahren.

In Monza stellt sich die Frage, wo sie geblieben sind, die Italiener. Die Antwort lautet: Sie sind weg! „Es ist eine große Schande, dass wir keinen Formel-1-Piloten mehr haben“, sagt Liuzzi, stellt zackig das Glas auf den Tresen und weiß auch, woran es liegt. „In anderen Ländern werden die Fahrer mehr gepusht als hier und haben die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Karriere“, glaubt er. In Italien sei dagegen Ebbe angesagt, weil das Land zu große ökonomische Probleme habe. Will heißen: Das Geld sitzt nicht locker. Die Sponsoren stecken nicht mal eben ihre Millionen in die Ausbildung eines Piloten.

86 Italiener waren schon dabei

Aber auch beim Blick in die Geschichte wird deutlich, dass die Bilanz der italienischen Formel-1-Piloten verheerend ist. Seit Gründung der Rennserie gingen zwar 86 wackere Italiener an den Start, doch an die beiden einzigen Weltmeister des Stiefelstaates können sich nur noch hohe Semester erinnern. In der ersten Formel-1-Saison 1950 wurde Giuseppe Farina Champion, in den zwei darauffolgenden Jahren Alberto Ascari. Der letzte Italiener, der das Heimrennen in Monza gewann, war übrigens ein gewisser Ludovico Scarfiotti. 1966 war das – vor 52 Jahren! Weiß keiner mehr. Zwei Jahre später verunglückte Scarfiotti bei einem Bergrennen in Berchtesgaden tödlich.

In Italien steht Ferrari über allem – wegen eines italienischen Rennfahrers sind die Fans nicht aus dem Haus zu kriegen. Es gab ja auch kaum einen triftigen Grund dafür. Die ehemaligen Formel-1-Dauerläufer Giancarlo Fisichella (3 Siege) und Jarno Trulli (1 Erfolg) haben zu wenig gerissen. Der Römer Fisichella war zwar für seinen sauberen Fahrstil bekannt, wurde bei Renault aber mal per Boxenfunk aufgefordert, seine Trödelei zu beenden und endlich Gas zu geben. Die Karriere von Vitantonio Liuzzi war indes geprägt von Verträgen bei Hinterbänkler-Teams. Der lebensfrohe Italiener gab oft eine bessere Figur auf der Motocross-Maschine ab, mit der er zur Rennstrecke knatterte, und war bekannt als Dauergast in Diskotheken.

Den Trend verpennt

Die Italiener, man muss es so sagen, sie haben den Trend in den vergangenen Jahren gepflegt verpennt. Franz Tost ist Teamchef von Toro Rosso, dem Ausbildungsrennstall von Red Bull. Im Hinblick auf Talente hat der Österreicher meist den richtigen Riecher. Aber Italiener? „Ich sehe gerade keinen“, sagt Tost und kann sich vorstellen, woran es liegt: „Das Nachwuchsfördersystem hat in Italien ein paar Jahre ausgesetzt. Es hat Jahre gegeben, da waren acht Italiener und acht Franzosen in der Formel 1. Damals hatten Renault und Elf die Nachwuchsförderung in Frankreich forciert, und in Italien waren es Sponsoren und Ferrari. Dann war eine Zeit lang gar nichts – und das merkt man jetzt.“

Ferrari, so Tost, versuche das Ruder nun wieder rumzureißen und schaue sich offenbar öfter auf italienischen Kartbahnen um. Antonio Giovinazzi sei ein Beispiel für die Kurskorrektur. Allerdings steht der Testpilot mutterseelenallein auf weiter Flur. „Er ist der letzte Italiener, der ein sehr gutes Potenzial gezeigt hat“, sagt Tost zwar, aber so richtig voran geht es mit dem Testfahrer auch nicht. „Er ist die letzten zwei Jahre keine Rennen gefahren, das war meines Erachtens von Seiten des Managements nicht richtig“, sagt Tost. Außerdem ist Antonio Giovinazzi, dieses letzte bisschen Hoffnung italienischer Formel-1-Herrlichkeit, schon stolze 24. In dem Alter wurde Sebastian Vettel zum zweiten Mal Weltmeister.