Ferrari hofft auf einen Aufwärtstrend.Mattia Binotto hat kein Glück bei Ferrari. Foto: Getty

Unter dem Teamchef Mattia Binotto geht es bei der Scuderia Ferrari nicht voran. Verzettelt sich der neue Mann?

Stuttgart - Der Ferrari-Teamchef Mattia Binotto lässt sich lustig durch Monaco chauffieren. Er hockt auf dem Sozius eines Motorrollers, den ein Ferrari-Mitarbeiter gekonnt durch den Stau lenkt. Der Chef hat sichtbar Spaß an der Fahrt – wie eigentlich an allem. Zu Ferrari ist zwar nicht der Erfolg zurückgekehrt, doch aber das, was man gute Laune nennt: dank Mattia Binotto.

Der Ingenieur schweizerisch-italienischer Herkunft ist der Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Maurizio Arrivabene, der mit rauchiger Stimme und dem Habitus eines Cowboys in einem Italo-Western eine gute Figur abgegeben würde. Binotto könnte man dagegen mit seiner schwarzen, kreisrunden Brille eher schon einstufen als Harry Potter mit 50. Der neue Ferrari-Frontmann ist freundlich, irgendwie ein Typ, den man mögen muss. Und die große rote Krise lächelt er bisweilen so spielerisch weg, als wolle er damit sagen: Es ist ja nur Rennsport.

Viel Geld, wenig Erfolg

Im Hinblick auf die kolportierten 400 Millionen Euro, die Ferrari seit Jahren in den aufgeblasenen Rennzirkus pumpt, um dann doch wieder nur Zweiter hinter Mercedes zu werden, ist die Lage aber dramatisch. Die aufkommende Ohnmacht im Lager der roten Rennwagenbauer ist nicht in Binottos Gesicht abzulesen, sondern in dem seines ersten Angestellten Sebastian Vettel. Nach jedem Mercedes-Sieg entgleisen dem ehrgeizigen Heppenheimer die Gesichtszüge ein bisschen mehr. Dagegen strahlt der Chef eine Leichtigkeit aus, die den dunklen Wolken über Maranello nicht ganz entspricht.

Doch ist Binotto intelligent genug, um sich und den italienischen Fans nichts vorzumachen. „Wir wissen, dass wir derzeit nicht konkurrenzfähig genug sind“, sagt er vor dem Großen Preis von Kanada am Sonntag und hat keine besseren Nachrichten für die Zukunft parat: „In absehbarer Zeit haben wir keine Möglichkeiten für Änderungen am Auto, die einen entscheidenden Einfluss auf unsere Probleme nehmen würden“, meint er – und hisst damit die weiße Fahne.

Das wird wohl nichts mehr

Das wird wohl nichts mehr 2019 – so ist es zu sehen nach sechs absolvierten Rennen und sechs Ferrari-Niederlagen. Das Unvermögen der Italiener wird dabei auch auf die Doppelrolle Binottos zurückgeführt und die Befürchtung, dass sich da jemand vervettelt, pardon: verzettelt. Tatsächlich ist Binotto Teamchef und Technischer Direktor zugleich. Geht das gut?

Er weist es zwar von sich, dass es da Momente der Überforderung gebe, außerdem seien die Aufgaben des Technikchefs an seine Leute auf Führungsebene delegiert. Doch im tiefen Herzen ist er Ingenieur. Da fällt es schwer, mal wegzuschauen, wenn die Dinge in technischen Belangen ans Eingemachte gehen. Mattia Binotto ist ohnehin ein Kind der Scuderia. Der in Lausanne geborene 49-Jährige schloss 1994 sein Maschinenbaustudium ab, trat ein Jahr später als Motoreningenieur des Testteams bei Ferrari ein und übernahm 2007 die Rolle des Chefingenieurs. Im Jahr 2014 wurde er vom bereits verstorbenen Fiat-Vorstand Sergio Marchionne zum neuen Leiter des Bereichs Motoren befördert.

Seit fast 25 Jahren dabei

Binotto ist fast seit 25 Jahren dabei, er kennt in Maranello jeden Stein und hat die große Ära von Michael Schumacher begleitet. Er war damit auch Zeuge der qualvollen Anfänge des Deutschen bei der Scuderia. Diese Phase des Umbruchs ab 1996 erinnert Binotto deshalb an die Gegenwart. „Wir haben seit Januar Umstrukturierungen vorgenommen“, sagt er mit Verweis auf die eigene Personalie, den Wechsel von Kimi Räikkönen zu Charles Leclerc im zweiten Auto und andere Positionsänderungen hinter den Kulissen.

Auch zu Schumachers Zeiten wurde viel umgekrempelt – erst im fünften Jahr holte der Kerpener seinen ersten WM-Titel in Rot. So sei das auch heute, denn so ein Formel-1-Engagement sei noch immer ein langfristig angelegtes Projekt, meint Binotto – und bittet die Tifosi deshalb um Rücksicht. „Heute brauchen wir ihre Geduld und ihre Unterstützung mehr als je zuvor“, sagt der Dauerlächler, dessen Mannschaft regelmäßig Fehler produziert und Probleme hat, mit den Reifen die richtige Haftung zu bekommen. Was in Kanada jetzt hilft? Vermutlich nur der Zauberstab von Harry Potter.