Lewis Hamilton befindet sich nach den ersten drei Saisonrennen schon gewaltig im Rückstand. Kommt der dreifache Formel-1-Weltmeister noch einmal zurück?
Stuttgart - Ein instinktgeleiteter Mensch wie Lewis Hamilton gibt auf Zahlenwerke vermutlich gar nichts. Statistiken sind etwas für verstaubte Freaks, deren Berechnungen auch mal an der Wahrheit vorbeischrammen. Sechsmal gewann in der Geschichte der Königsklasse ein Fahrer die ersten drei Saisonrennen – und immer wurde dieser Pilot auch Weltmeister. Nun ist ausgerechnet Hamiltons Stallrivale Nico Rosberg der sechste im Bunde, der so enorm vorgelegt hat – und die Statistik-Freunde wetten schon auf den Deutschen. Aber noch ist nicht aller Tage Abend.
„Das war punktemäßig ein Schlag, aber ich muss jetzt einfach mein Bestes geben, um wieder aufzuholen“, sagte Hamilton nach seinem siebten Platz in China und gab die Parole aus: „Weiter geht’s!“ Anlass zur Hoffnung gibt auch die mit 21 Grand-Prix-Stationen extrem hohe Anzahl der Rennen in diesem Jahr – eine Chance mehr kann WM-entscheidend sein. Und dass die Messe noch lange nicht gelesen ist, das spürt auch Rosberg, der seinen zum Feind mutierten Ex-Kumpel nur allzu gut kennt. Also erwartet der Wiesbadener eine „wahnsinnige“ Aufholjagd des Kontrahenten. Das klingt, als gehe dem Mann mit der Maximalausbeute von 75 Punkten die Düse.
Hamiltons Chefstratege arbeitet seit dieser Saison für Rosberg
Lewis Hamilton setzt sich jedoch nicht unter Druck; er weiß ja, dass er nichts verlernt hat. Das Pech, von dem Rosberg in den vergangenen Jahren heimgesucht wurde, hat sich zu Beginn der Saison 2016 halt mal auf seine Seite verlagert. In Bahrain wurde er in einen Crash verwickelt, in China ging es munter so weiter: Erst die Rückversetzung, dann wieder eine Kollision – so wird das nichts mit der WM-Führung.
Anlass zur Hoffnung auf erfolgreichere Zeiten gibt der Blick zurück: Der Champion hat in den beiden Vorjahren Rosberg zweimal auf Distanz gehalten und gezeigt, dass er der Bessere ist. Als ihm der Deutsche 2014 bis zum Finale in Abu Dhabi auf den Fersen blieb, machte Hamilton das trotz der unsportlichen 50-Punkteregel für das letzte Saisonrennen nichts aus. Und im vergangenen Jahr wurde er Weltmeister, weil er seinen Kollegen teilweise vorführte wie einen Schuljungen. Dass der Unterlegene 2015 die drei letzten, für die WM unbedeutenden Wettfahrten gewann, ist auch darauf zurückzuführen, dass es Hamilton als feststehender Weltmeister etwas schleifen ließ. Das glaubt auch der Mercedes-Sportchef Toto Wolff.
Trotz der drei Rosberg-Siege in dieser Saison – die Rückkehr des dreimaligen Weltmeisters wird jederzeit erwartet. Es macht Hamilton auch nichts aus, dass innerhalb des Mercedes-Rennstalls die Teamführungen ausgetauscht wurden; für Rosberg arbeitet jetzt der einstige Hamilton-Chefstratege, und umgekehrt. Er habe bei Mercedes noch nie mit so einer guten Mannschaft zusammengearbeitet, lobt der Brite seine Truppe und spürt, dass er trotz seines 36-Punkte-Rückstands noch immer gute Chancen besitzt. Außerdem geht er seine Aufholjagd mit drei Titeln im Rücken lockerer an als früher, und das Verlieren hat er auch gelernt.
Lewis Hamilton ist noch ganz entspannt
Lewis Hamilton findet es zurzeit auch spannend, von weiter hinten loszufahren, denn da könne er wenigstens ein paar Autos überholen. Und Fehler, die ihn früher auf die Palme brachten, steckt der „Gereifte“ inzwischen ziemlich lock weg. Sein durch den Crash in China angeschlagener Bolide war im weiteren Rennverlauf schwer zu fahren und machte Zicken, die der Engländer in für ihn ungewohnter Weise klaglos hinnahm. „Das Auto schien auf jeden Fall viel herumzurutschen, aber das gehört zum Rennsport dazu. Manchmal kommt das vor –, doch immerhin konnte ich noch ein paar Punkte mitnehmen“, sprach Hamilton und blickte trotz seiner Irrfahrt positiv nach vorne: „Ich spüre nicht wie früher, dass da eine dunkle Wolke über mir hängt.“
Der Wind, er weiß es, kann schnell wieder drehen. Ein Ausfall Rosbergs bei einem Hamilton-Sieg würde die drei Auftakterfolge des Deutschen fast eliminieren. Und falls der Engländer den Anschluss schafft, kommt sogar für ihn die Statistik ins Spiel – denn vier Titel hätten dann nur er, Sebastian Vettel und Alain Prost auf dem Konto. Das ist es, was Lewis Hamilton antreibt – und ihn auch so gefährlich macht.