Ferrari hat derzeit das beste Paket in der Formel 1 und Branchenführer Mercedes abgelöst. Foto: dpa

Formel-1-Halbzeitbilanz: Die Scuderia hat die technische Führerschaft übernommen, doch Sebastian Vettels Nerven flattern zu häufig.

Stuttgart - Beim Großen Preis von Deutschland feierte die Formel-1-Gemeinde Bergfest, es war das elfte von 21 Rennen der Saison. Wenn die Autos an diesem Sonntag (15.10 Uhr/RTL) auf dem Hungaroring starten, beginnt die zweite Halbzeit im Titelrennen zwischen Weltmeister Lewis Hamilton und Herausforderer Sebastian Vettel. Höchste Zeit, eine Halbzeitbilanz zu ziehen. Spannung Das Duell um die WM könnte dramatischer kaum sein – die Führung wechselte bereits fünfmal zwischen Hamilton und Vettel. Ein Muster im Auf und Ab lässt sich nicht erkennen; mal patzen die Fahrer, mal unterläuft dem Team ein Fehler, mal streikt ein Auto. Die erdrückende Dominanz von Mercedes gehört der Vergangenheit an, was alle Motorsportfreunde begrüßen, lediglich die Silberpfeil-Fraktion ist nicht so glücklich darüber. Auch die Rennen bieten Spektakuläres, lediglich in Spanien, Monaco und Kanada war das Geschehen auf der Strecke so übersichtlich wie der Dauerstau auf der A 6 bei Wiesloch/Rauenberg. Branchenführer Mercedes ist nach drei Jahren die uneingeschränkte Formel-1-Führerschaft los, derzeit sind sich die Experten einig, dass Ferrari das beste Auto besitzt. „Ferrari ist schneller und zuverlässiger. Wir können uns nicht immer drauf verlassen, dass die Fahrer Fehler machen“, sagte Hamilton nach seinem unverhofften Erfolg in Hockenheim. Das stärkste Triebwerk sitzt im Renner der Scuderia, es heißt, Vettel habe bis zu 38 PS mehr Leistung als Hamilton – wobei jedoch nicht nur Mercedes-Teamchef Toto Wolff die Stirn runzelt, ob da alles mit rechten Dingen zugeht. „Du schaffst diese Steigerung normalerweise nur mit zwei Jahren Entwicklungsarbeit“, sagt Wolff. Charlie Whiting, der oberste Regelhüter, beteuert, dass bei Ferrari alles legal ist. Für neue Brisanz im technischen Wettkampf ist gesorgt. Fehlerquote Selten zuvor sind den Protagonisten so viele Fehler unterlaufen – was in dem hochtechnisierten und strategisch ausgerichteten Gewerbe so unerträglich für einen Ingenieur sein dürfte, als würde die Verlobte heute von Heirat sprechen und morgen von Trennung. Eine klitzekleine Unaufmerksamkeit kostet Vettel den nahezu sicheren Heimsieg in Hockenheim, in Australien bremst eine suboptimal geeichte Software den Silberpfeil von Hamilton, in Großbritannien schießt Kimi Räikkönen den Weltmeister ab, und WM-Außenseiter Max Verstappen wird von Elektronikproblemen seines Red Bull gestoppt, in Österreich dämmern die Strategen von Mercedes im Sekundenschlaf und holen Hamilton in der Safety-Car-Phase nicht zur Box, danach streikt die Technik. „Viel davon ist auf unsere eigenen Fehler zurückzuführen“, knurrte Mercedes-Motorsportchef Wolff damals. Die Unkalkulierbarkeit ist Normalität, die Halbwertszeit von Prognosen sinkt – das WM-Duell dürfte bis zum Ende spannend bleiben. Nervosität Fast kein Rennen vergeht, ohne dass sich zwei Piloten in die Parade fahren – erstaunlicherweise sind die WM-Rivalen oft darin verwickelt. Mal schuldhaft wie Vettel, der für einen Schubser gegen Valtteri Bottas in Frankreich eine Strafe erhält, mal sind sie unschuldig wie Hamilton, der in Silverstone von Räikkönen abgeschossen wird. Dabei fällt auf, dass Vettels Nerven leichter durchgehen als die seines Kontrahenten. Das könnte sich als kleiner, aber wichtiger Vorteil für Hamilton darstellen. Best of the rest Viele Fans hofften, dass Red Bull ins Duell Ferrari gegen Mercedes eingreifen würde – doch technisch ist das Team aus Österreich nicht ganz auf deren Niveau. Red Bull benötigt kurvenreiche Strecken mit wenigen Vollgasgeraden, was der Sieg von Daniel Ricciardo in Monaco beweist. Zudem verhinderten einige Defekte und Kollisionen, dass der Australier und sein Teamkollege Max Verstappen ernsthaft ins WM-Duell eingreifen konnten. Der Kurs von Budapest dürfte Red Bull allerdings liegen, um Vettel und Hamilton wieder mal zu ärgern.