Null Punkte: Für Weltmeister Lewis Hamilton hat sich die Reise nach Singapur nicht gelohnt Foto: dpa

Im Grunde sah es so aus, als müsse Lewis Hamilton den dritten WM-Titel nur noch abholen – in Singapur wurde Mercedes aber gewiss, dass noch etwas schiefgehen könnte. Motorsportchef Toto Wolff löste Alarm in Brackley aus.

Stuttgart - Womöglich hat sich Toto Wolff in Singapur an seine Kindheit erinnert, an die Zeit in Wien, als er sich als Steppke in den 1970ern gelegentlich eine Backpfeife eingefangen hat. „Das ist eine richtige Watschn, aber manchmal braucht man die“, sagte der Mercedes-Motorsportchef nach dem Debakel seines Teams beim Großen Preis von Singapur, „jetzt werden wir Siege wieder mehr zu schätzen wissen.“ Denn erstmals in dieser Saison hatte der Seriensieger (zehn Erfolge in 13 Rennen) einen Grand Prix aufgrund eigener Schwäche verloren; es waren also keine besonderen Umstände dafür haftbar zu machen, dass Ferrari und sogar Red Bull uneinholbar blieben. Lewis Hamilton schied mit einem Defekt aus, für Nico Rosberg reichte es lediglich auf Platz vier – so sah die Backpfeife für das Weltmeister-Team aus.

Die andere Wange werden die Mercedes-Leute allerdings nicht hinhalten. „Wir verfallen nicht in Depression“, bekräftigte Wolff, „wir bleiben ruhig, denn das Auto ist dasselbe – wir haben nichts von unserer Stärke eingebüßt.“ Das sieht auch Experte Marc Surer so. Der Schweizer glaubt nicht, dass in Singapur eine Wachablösung an der Spitze der Formel 1 eingeleitet worden ist. „Ich würde sagen, das war eine Eintagsfliege“, sagte der ehemalige Rennfahrer, „wir haben in Singapur doch gesehen, dass Mercedes die Reifen überfordert hat. Das war mit den weichen Reifen noch extremer, weshalb in der Qualifikation auch keine schnelle Runde geklappt hat.“

Flitzer aus Maranello verschleißen weniger Gummi

Heißer Asphalt und hohe Lufttemperaturen sind die natürlichen Feinde des Silberpfeils in diesem Jahr – die Parallelen zu Sebastian Vettels Sieg in Malaysia sind selbst bei einem flüchtigen Blick nicht zu übersehen. Beide Rennen wurden bei großer Wärme mit hoher Luftfeuchtigkeit von Ferrari gewonnen. Die Flitzer aus Maranello verschleißen weniger Gummi. „Wenn die Reifen überhitzen, verlieren sie sofort die Haftung. Im Rennen haben wir gesehen, dass Mercedes die Reifen zu stark fordert“, erklärte Surer, „das ist ihre Schwäche. Aber der große Rückstand in Singapur war auch streckenspezifisch.“ Soll heißen: Auf dem Stadtkurs konnte Mercedes die Vorteile der Antriebseinheit nicht ausreizen – und bei Ferrari passte einfach alles. „Ich kann mir schon noch einen Sieg für Vettel vorstellen“, sagte Surer, „es kommen noch Kurse, die nicht eindeutig Mercedes-Strecken sind.“

Japan am kommenden Wochenende (Sonntag, 7 Uhr MESZ/RTL) gehört eher nicht dazu, aber unabhängig davon hat bei Mercedes gleich am Montag an den Computern im Basislager in Brackley die Suche nach den Ursachen für den Gummifraß begonnen. „Wir werden hart daran arbeiten, um herauszufinden, woran es gelegen hat“, betonte Lewis Hamilton, der den waidwunden Silberpfeil auf Rang 14 liegend parkte, um den Motor zu schonen. „Noch liegt ein langer Weg vor uns“, meinte er. Zweifel an seiner Entschlossenheit ließ der Titelverteidiger nicht aufkommen – zwei Stunden nach dem Rennen war er wieder mit einem Lächeln zu sehen. Er sei ja in Singapur schnell gewesen, versicherte der Engländer, und er werde „sicherstellen, dass ich in Suzuka zurückschlagen kann“.

Ferrari rechnet mit einer Antwort der Silbernen in Suzuka, wenngleich sich in den Hallen von Maranello ein Virus ausbreitet, das die Beschäftigten vom ersten WM-Titel seit 2007 träumen lässt. Selbst Teamchef Maurizio Arrivabene ist nicht völlig immun: „Es gibt noch eine Menge Punkte zu holen, wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um vorn zu bleiben.“ Sebastian Vettel wehrt sich gegen allzu rosarote Voraussagen. „Wenn man sich die letzten anderthalb Jahre anschaut, dann ist Mercedes immer eine halbe Sekunde vor dem Rest der Welt“, sagte der Heppenheimer, „wenn sie wieder Probleme haben, ist uns das ehrlich gesagt recht, aber rechnen kann man damit nicht.“ Sollte man auch nicht, denn nach dieser Watschn sind bei Mercedes alle wieder hellwach.