Kritik an der Formel 1: Willi Weber, Ex-Manager von Michael Schumacher, langweilt die Königsklasse im Motorsport zusehends Foto: Foto: dpa

Die Formel 1 steckt in der Krise: Die Rennen sind meist eintönig, die Sieger immer die gleichen, die Fans verlieren die Lust. Die Königsklasse des Motorsports braucht dringend Veränderungen und neue Typen, meint Willi Weber, Ex-Manager von Michael Schumacher.

Herr Weber, wann haben Sie das letzte Mal ein Formel-1-Rennen gesehen?
Das ist schon lange her. In den letzten zwei Jahren habe ich keines komplett angeschaut.
Sie haben den Doppelsieg der Silberpfeile in Silverstone nicht gesehen?
Nein, bei dem heißen Wetter wollte ich nicht vor dem Fernseher sitzen. Außerdem interessiert mich die Formel 1 kaum noch.
Bei Ihrer Vergangenheit als Manager von Michael Schumacher ist das kaum zu glauben.
Doch, die Formel 1 ist für mich nicht mehr interessant. Ich glaube, ich habe die spannendsten und schönsten Jahre erlebt. Jetzt empfinde ich Langeweile. Den Start schaue ich mir manchmal noch an. Aber wenn ich sehe, wie dann Lewis Hamilton wieder vor Nico Rosberg fährt oder umgekehrt, schalte ich um.
Warum steckt die Königsklasse des Motorsport in der Attraktivitätskrise?
Da muss ich etwas ausholen. Die Langeweile kam ja nicht von heute auf morgen. Sie wurde systematisch mit Veränderungen, die alles andere als förderlich waren, über Jahre herbeigeführt. Die Einführung der leisen Rennwagen war vor zwei Jahren einer der Todesstöße. Aber auch die technischen Veränderungen, die es manchen Teams erlaubt haben, Vorteile besser umzusetzen als andere Rennställe, auch weil sie die Veränderungen im Vorfeld früher wussten. Wir dürfen ja nicht glauben, dass in der Formel 1 alles mit rechten Dingen zugeht.
Welche Fehler wurden noch gemacht?
Es wurden Dinge verändert, die positiv waren. Zum Beispiel das Punktesystem. Um Brisanz bis zum Schluss zu schaffen, wurden die Punkte beim letzten Rennen der Saison verdoppelt. Das ist doch eine Bankrotterklärung für die Formel 1. Ich dachte immer, wir fahren Rennen, und das bedeutet für mich, dass man die Fahrer in ihre Autos steigen lässt und am Ende der Beste gewinnt.
Ist das nicht mehr so?
Ich finde nicht. Der Beste kann heute nicht mehr gewinnen. Alles wird von der Box gesteuert – durch Anweisungen an die Fahrer: „Pass auf das auf! Beschleunige weniger wegen des Reifenabriebs!“ Was hat das noch mit Rennfahren zu tun? Das kommt mir vor wie auf der Playstation. Alles ist künstlich. Der Pilot ist nicht mehr in der Lage, seine fahrerische Überlegenheit auszuspielen. Er muss ja nicht mal mehr starten können, sondern nur einen Knopf drücken. Gegen technische Hilfsmittel, die der Sicherheit dienen, habe ich nichts, aber dass das Nichtkönnen der Piloten so aufgewertet wird, dass sie um den Sieg mitfahren können, halte ich für falsch.
Welche Rolle spielt die ungerechte Geldverteilung von Chefvermarkter Bernie Ecclestone?
Ich bin weit weg davon, ein Kommunist zu sein, aber in dieser Hinsicht wäre ein kommunistisches Prinzip hilfreich. Alle, die mitfahren, bekommen das gleiche Geld aus dem Topf von Ecclestone. Natürlich muss es einen leistungsbezogenen Bonus für bessere Teams geben. Aber ich muss doch als Chefpromotor meine Mannschaft, im Idealfall zwölf Teams mit 24 Autos, mit einer finanziellen Grundausstattung am Leben halten, mit der auch kleinere Rennställe noch gut mitfahren können.
Welche Veränderungen braucht die Formel 1?
Ich bin kein Techniker, auch kein Ingenieur, deshalb kann ich wenig dazu sagen. Doch was ich in meiner Zeit in den 90er Jahren in der Formel 1 gesehen habe, hat auch die Fans fasziniert. Die lauten Motoren beispielsweise, ein V8 oder ein V12. Was gibt’s Schöneres? Jetzt gibt’s den Sechszylinder, der zwar sparsam ist, aber vor sich hin surrt. Und wenn wir schon dabei sind: Ich habe ja nichts gegen die Jugend, aber wenn wir jetzt Piloten wie Max Verstappen haben, die 17 Jahre sind, da muss ich Sie fragen, wo bleibt da das Charisma, der Charme der Piloten?
Ihnen fehlen die Typen.
Ja, die vermisse ich. Ich brauche keine Schönlinge mit Dreikaräter im Ohr und 300-Gramm-Goldketten um den Hals. Ich will Fahrer sehen wie Nigel Mansell, Ricardo Patrese, Ayrton Senna oder Alain Prost – Unikate mit Ausstrahlung. Früher gab’s auch mal Streit. 1992 wollte Ayrton Senna in Hockenheim dem Michael an die Gurgel. Heute ist das undenkbar. Heute ist alles so statisch und mechanisch. Keiner darf mehr was sagen, alles wird reguliert.
Auch der Zweikampf um den WM-Titel von Rosberg und Hamilton?
Ja, der ist weich geklopft. Wenn da irgendjemand von den beiden was sagt, steht schon ein Marketingchef von Mercedes da und versucht das zu unterbinden. Das ist sehr schade.
Dabei könnte die Formel 1 aus deutscher Sicht kaum interessanter sein: Mercedes dominiert die Saison, Nico Rosberg kämpft um den Titel, Sebastian Vettel belebt Ferrari, und Nico Hülkenberg zaubert in einem schwachen Auto.
Vielleicht haben wir aber zu viele Deutsche in der Formel 1. Der Fokus verteilt sich auf zu viele. Bei Michael war das anders. Wir hatten quasi ein Guthaben, weil vor ihm noch kein Deutscher Weltmeister geworden war. Doch wir haben ja dann auch Probleme bekommen, als Michael dreimal in Serie Weltmeister geworden ist. Da haben die Leute gesagt: „Jetzt reicht’s aber! Da braucht man gar nicht mehr den Fernseher einschalten.“
Wer wird in diesem Jahr Weltmeister?
Lewis Hamilton.
Das kam aber wie aus der Pistole geschossen.
Weil Hamilton momentan in meinen Augen der Bessere ist. Im Vergleich zu Rosberg, der mir hochsympathisch ist, fährt er das Rennen länger konzentrierter durch und ist in der Lage, Fehler schneller zu erkennen. Nico Rosberg fehlt da vielleicht die Abgebrühtheit, die etwa ein Michael Schumacher hatte.