Im Kiesbett: Fernando Alonso in seinem Ferrari beim Formel 1 Grand Prix in Melbourne Foto:  

Ferraris Formel-1-Flitzer sind nicht konkurrenzfähig, aber es fehlt die Zeit für nötige Änderungen.

Sepang - Benvenuti alla Scuderia Ferrari. Willkommen bei der Formel-1-Mannschaft aus Italien; willkommen im kontrollierten Chaos. Wenn es bei den Tifosi zwischen Brennerpass und Straße von Messina um Fußball und Formel 1 geht, gelten in den sonst recht unterschiedlichen Disziplinen dieselben Gesetze. Paragraf eins: Wenn es sportlich schlechter läuft als ohnehin befürchtet, wird sofort übers Personal spekuliert. Nun landete Fernando Alonso beim Saisonauftakt in Melbourne mit viel Glück auf Platz fünf, Felipe Massa schied aus – also begannen Fans wie Experten die Gerüchteküche anzuheizen. Buon apetito. Dabei hatte Präsident Luca di Montezemolo noch versucht, den Gashahn zu regulieren: „Ich verstehe, dass die Fans enttäuscht sind, aber ich bitte sie um Besonnenheit. Wir müssen ruhig und konzentriert bleiben.“ Vergebens.

Massa, so wurde vor dem Großen Preis von Malaysia am Sonntag (10 Uhr MESZ/RTL) gemunkelt, werde schon bevor sein Vertrag am Saisonende auslaufe, aus dem Cockpit geworfen. Als mögliche Nachfolger wurden die Namen Sergio Perez (derzeit Sauber) und Adrian Sutil (derzeit arbeitslos) propagiert. Der Deutsche ließ gleich ein Dementi verbreiten. „Dass Adrian mit Ferrari in Verbindung gebracht wird, ehrt und freut uns sehr, aber leider ist da nichts dran“, erklärte sein Manager Manfred Zimmermann. Und Perez sagte in Sepang bloß: „Ich will mit Sauber Erfolg haben.“ Und als vorläufiges Hauptgericht wurde serviert, dass auch Teamchef Stefano Domenicali auf einem ziemlich wackeligen Stuhl sitze. Red-Bull-Teamchef Christian Horner, der als möglicher Nachfolger ins Spiel gebracht worden war, entgegnete: „Ich sehe mich langfristig bei Red Bull.“

Alonso jenseits aller Kritik

Was auch immer die Spekulanten mit ihren in die Welt gesetzten Vermutungen bezwecken – jede zusätzliche Formel-1-Märchenstunde macht es den Mitarbeitern von Ferrari garantiert nicht einfacher, den (oder die) Fehler im System zu finden und abzustellen. Der F2012 besitzt zu wenig Traktion, das Auto beschleunigt viel zu apathisch aus den Kurven heraus. Zudem verhält sich die sogenannte rote Göttin meist wie eine launische Diva – ihr Fahrverhalten ist für Alonso und Massa häufig unvorhersehbar. Zudem war das Auto in Australien im Bereich der Höchstgeschwindigkeit beinahe 10 km/h langsamer als der McLaren von Lewis Hamilton. Auch die innovative Zugstreben-Vorderradaufhängung strapaziert die Reifen, so dass sie die optimale Haftung zu kurz entwickeln.

Viele Problemchen summieren sich, und das Hauptproblem der Roten lautet: Da der Grand Prix von Malaysia nur eine Woche nach dem Saisonauftakt in Melbourne stattfindet, war die Zeit viel zu knapp, neue Teile herzustellen oder umfangreichere Modifikationen am Fahrzeug vorzunehmen. Domenicali und Technikchef Pat Fry haben die in Australien gesammelten Daten von Montag bis Mittwoch in Maranello ausgewertet, sie werden in Sepang ins Setup einfließen. Doch es wäre eine Überraschung, sollten Alonso und Massa an diesem Wochenende plötzlich mit den Red Bull und McLaren mithalten können. „Wir werden auch in Malaysia kein einfaches Rennen erleben. Der F2012 ist im Vergleich zu Australien nur wenig verändert“, erklärte der Spanier, der als Einziger jenseits aller Kritik steht, „wir werden das Auto so gut es geht vorbereiten. Uns ist aber klar, dass es sehr schwierig wird.“

Dass das Team aus Maranello in einer Wertung in dieser Saison an der Spitze liegt, dürfte für die Ferraristi kein wirklicher Trost sein – in Melbourne legte Alonso den schnellsten Boxenstopp hin, 21,910 Sekunden von der Boxenein- bis zur Boxenausfahrt. Red Bulls beste Servicezeit lag bei 22,915 Sekunden. Eigentlich ist den Worten Alonsos nichts hinzuzufügen, die rote PS-Gemeinde sollte sie beherzigen: „Wir müssen jetzt ruhig bleiben und hart arbeiten, dann werden wir auch wieder Erfolg haben.“ Ruhig bleiben. Wenn ausgerechnet diese Übung vielen Sportfans auf dem Stiefel und am Südrand der Alpen nicht so verdammt schwer fiele.