Das Land hat im Kursaal Bad Cannstatt über die geplante Klinik für psychisch kranke Straftäter informiert. Rund 240 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, sie forderten „eine echte Beteiligung, nicht Beschwichtigung“.
Der Unmut in Bad Cannstatt über die grün-schwarze Landesregierung ist schon im Vorfeld der Informationsveranstaltung zum geplanten Maßregelvollzug im früheren Rotkreuzkrankenhaus deutlich: Unweit des Kursaals protestieren einige Dutzend Menschen, darunter Anwohner und Mitglieder der Initiative Schöne Straße und des Aktionsbündnisses „Nein zur Forensik in Bad Cannstatt“. Auf Plakaten ist zu lesen: „Cannstatt braucht Perspektiven keine Forensik“ oder „Cannstatt stärken nicht schwächen“.
Bürger fordern transparenten Prozess
Die stellvertretende Vorsitzende der Initiative Schöne Straße, Manuela Reichle, erklärte: „Wir wollen einen transparenten Prozess haben. Es geht nicht allein um Ängste der Bevölkerung, wir sind verärgert über das Was und das Wie.“ Eine 70-Jährige sagte, es werde so getan, als ob die Bevölkerung entscheiden könne. „Wir werden informiert. Das Krankenhaus hätte man besser für Krankenpfleger, Schüler und Studenten vermieten können.“
Auch die Organisation der Veranstaltung ließ aus Sicht mancher Besucher durchaus zu wünschen übrig: Es war zu eng, gab zu wenig Stühle und eine zum Teil miese Akustik. Der Organisator, die Servicestelle Bürgerbeteiligung, war trotz vieler Anmeldungen für die Veranstaltung beim Kleinen Kursaal als Veranstaltungsort geblieben. Angemeldet und vor Ort waren rund 240 Bürger, sagt deren Leiter Ulrich Arndt. Er betonte: „Wir sind eine unabhängige, neutrale Stelle. Bei dieser Form von Interessenskonflikt soll alles auf den Tisch gebracht werden.“ Er verwies darauf, dass es eine Entscheidung des Ministerrats gewesen sei, den Maßregelvollzug dort anzusiedeln, und: „Es handelt sich um einen normalen demokratischen Prozess.“ Bei Forensischen Anstalten erlaube es der Gesetzgeber, dass gegen den Willen der Bürger entschieden werde.
Kritik, ob der Standort geeignet ist
Christina Rebmann vom Sozialministerium äußerte Verständnis für den Unmut der Bürger gegenüber dem Sozialministerium und für die Vorbehalte. Sie begründete die Notwendigkeit der Einrichtung mit der steigenden Zahl der Patienten. Sie gestand ein: „Das ehemalige Rotkreuzkrankenhaus ist geeignet, das Drumherum ist nicht ideal.“
Manuela Reichle und Andreas Uthe von der Initiative Schöne Straße erklärten im Saal: „Wir stellen nicht den Auftrag der Landesregierung in Frage, aber, ob der Standort geeignet ist“. Es handle sich um einen massiven Eingriff in ein dicht besiedeltes Wohnumfeld. Dazu brauche es Beteiligung, nicht Beschwichtigung. Uthe verwies darauf, dass bereits mehr als 1500 Menschen eine Petition an den Landtag unterschrieben hätten. Sie sagte: „Wir vermissen Transparenz und unmittelbare Bürgerbeteiligung und wollen einen Ortstermin, bei dem uns erklärt wird, wir hier behandelt wird.“ Die Vertreter des Aktionsbündnisses kritisierten, dass die Forensische Klinik die Belastung nur erhöhe, die Menschen frustriere und Bad Cannstatt nicht nach vorne bringe.
Bei der Veranstaltung hatten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich an Stehtischen zu informieren und mit Fachleuten vom Sozialministerium bis hin zum Maßregelvollzug und der Polizei zu diskutieren. Eine 40-jährige Mutter von zwei kleinen Kindern erklärte, sie habe Bedenken und finde es ungerecht, da der Stadtbezirk Bad Cannstatt ohnehin belastet sei. „Die Veranstaltung hat bei mir keine Bedenken ausgeräumt.“ Eine 70-Jährige bemängelte die Organisation und sagte, es sei viel zu laut gewesen: „Es geht nicht um Diskriminierung, es geht um Verteilung. Das ist eine Farce.“
Gewerbetreibende und Händler bezweifeln Gehörtwerden
FDP-Bezirksbeirat Timur Lutfullin vermisste konkrete Informationen sowie Fragemöglichkeiten in großer Runde. Doch Mut machten, sagte Lutfullin, die zahlreich erschienenen Cannstatter, die sich für ihren Bezirk engagierten.
Der Sprecher des Vorstands des GHV Bad Cannstatt, Gerhard Bach, sagte: „Die Gewerbetreibenden, Händler und Selbstständigen aus der Altstadt können bei dem ganzen Trubel nur mit dem Kopf schütteln. Ängste und Sorgen, Fragen und Bedenken der Bürger werden einerseits in einem ziemlich aufwendigen Prozess professionell, so weit wie möglich taktvoll und behutsam abgeholt, ohne dass das eigentliche Problem beim Namen genannt wird.“ Dabei werde offenkundig über die Köpfe hinweg entschieden, ohne die Auswirkungen auf den Standort, die Lebensqualität, die Sicherheit der Bürger, Käufer, Gäste und Besucher wirklich zu berücksichtigen.
Organisator lobt sachliche Debatten
Organisator Arndt resümierte, dass die Debatten trotz des Zielkonflikts sachlich gewesen seien, das Ziel der Veranstaltung erreicht worden sei. Es habe nicht nur einseitige Informationen gegeben, sondern intensive Gespräche. Das gegenseitige Verständnis sei gewachsen.
Am 17. Mai findet von 10 bis 16 Uhr eine Planungswerkstatt mit etwa 20 Teilnehmern statt. Interessierte melden sich unter MRVBadCannstatt@nexusinstitut.de an.