Demonstranten in der Stuttgarter Innenstadt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Was in über 20 Städten in Frankreich möglich sei, nämlich den ÖPNV zum Nulltarif anzubieten, müsse auch hier möglich sein, behaupten Umweltaktivisten bei einer Demo in Stuttgart.

Am Vorabend der zum 1. April 2022 wirksam gewordenen Tariferhöhungen im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) hat in der Stuttgarter Innenstadt ein Bündnis verschiedener Gruppierungen demonstriert. Es ging den von der Umweltgewerkschaft (UG) Stuttgart angeführten Demonstranten gar nicht mal direkt um die im Durchschnitt 2,5-prozentige Preissteigerung der Fahrtickets im Öffentlichen Personen Nahverkehr (ÖPNV), sondern um einen komplett entgegengesetzten Weg. Ihre Forderung: Nulltarif statt Fahrpreiserhöhung. Denn eine für alle Kunden komplett kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel wäre sowohl ökologisch wie energietechnisch und auch sozial die richtige Antwort auf drängende aktuelle Fragen. „Wir brauchen Mobilität unabhängig vom Geldbeutel“, sagte UG-Sprecher Peter Vescovi.

Drei Monate lang ein ÖPNV-Ticket für neun Euro, wie es die Bundesregierung im jüngst beschlossenen Paket vorsieht, um die Bürger bei den durch den Ukraine-Krieg verteuerten Energiekosten zu entlasten, bezeichnete Vescovi als „Witz“, genauso eine staatliche Bezuschussung von Spritkosten. Andere Redner wie Moritz Riedacher von Fridays for Future forderten einen „Paradigmenwechsel“. Statt den öffentlichen Nahverkehr schrittweise immer teurer zu machen und den individuellen PKW-Verkehr durch teure Straßenbauprojekte öffentlich immer weiter zu subventionieren, müsse vollkommen umgesteuert werden in Richtung einer echten Verkehrswende.

Auch ein Beschäftigter der Autobranche trat ans Mikrofon

Über 20 Städte in Frankreich wie auch das komplette Luxemburg hätten diesen Nulltarif im ÖPNV bereits erfolgreich umgesetzt. Nach Berechnung der Umweltgewerkschaft würde der Wegfall sämtlicher Ticketeinnahmen hierzulande in etwa 13 Milliarden Euro kosten. Alleine durch die Streichung umweltschädlicher Subventionen könne solch ein Nulltarif beim ÖPNV „gleich mehrfach finanziert“ werden. Der Esslinger Detlef Püschel vom UG-Bundesvorstand tritt für die volle Finanzierung aus Steuermitteln ein. Damit könne die Mobilität als Grundversorgung der Bürger genauso finanziert werden wie beispielsweise Schulen.

Interessant auch, dass sich selbst ein Beschäftigter aus der Automobilindustrie ans Mikrofon stellte und sich solidarisch erklärte: „Auch wenn Autobauen mein Beruf ist, so sind die Forderungen hier genau richtig.“ Im Übrigen sei es wichtig, dass Arbeiter- und Umweltbewegungen sich nicht gegenseitig ausspielen lassen sollten, wie es oft schon gehandhabt wurde.