In den sozialen Medien gibt es unzählige Hasskommentare. Foto: Yui Mok/PA Wire/dpa

Der Schorndorfer Oberbürgermeister Matthias Klopfer fordert eine eigene Staatsanwaltschaft gegen Hasskriminalität im Netz. Das Justizministerium erklärt, eine solche gebe es bereits.

Schorndorf - In der Diskussion um ein schärferes Vorgehen gegen Hasskommentare im Internet fordert der Schorndorfer Oberbürgermeister Matthias Klopfer eine eigene Staatsanwaltschaft für derartige Fälle. Klopfer wird selbst immer wieder im Netz angegriffen – zuletzt auf der rechtsgerichteten Internetseite PI-News. „Hasskriminalität im Netz ist schlicht und ergreifend zu verfolgen und zu bestrafen“, sagt der Oberbürgermeister. Er verlangt ein Modell wie in Nordrhein-Westfalen.

Dort hat die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) gemeinsam mit dem Landeskriminalamt, der Landesanstalt für Medien und verschiedenen Medienunternehmen das Projekt „Verfolgen statt nur Löschen“ initiiert. Staatsanwalt Christoph Hebbecker und eine Kollegin bearbeiten dabei ausschließlich Fälle von Hasskriminalität im Netz. Seit Beginn der „operativen Phase“ im Februar 2018 habe es rund 450 Strafanzeigen gegeben, in etwas mehr als der Hälfte der Fälle seien Strafverfahren eingeleitet worden und knapp 90 Urheber von strafrechtlich relevanten Hasspostings habe man inzwischen ermitteln können, berichtet Hebbecker. Diese verteilten sich über ganz Deutschland.

Wo beginnt eine Straftat?

Ob ein Kommentar eine Straftat darstellt, sei mitunter schwer zu beurteilen. „Das ist Auslegungssache. Wir prüfen immer sehr genau, ob man eine Aussage auch anders verstehen könnte“, erklärt der Staatsanwalt und betont, dass es nicht das Ziel sei, kritische Meinungen zu unterdrücken. „Wir sind keine Zensurbehörde.“ Es gehe vielmehr darum, dass Strafgesetze auch online Anwendung fänden – und dafür reiche die bloße Löschung eines Kommentars, wie sie im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vorgesehen ist, nun mal nicht aus. „Bei einem Diebstahl würde ja auch niemand zum Täter sagen ‚Jetzt legst du das Diebesgut wieder zurück und damit ist gut’“, sagt Hebbecker. „Das Löschen einer Straftat ohne die entsprechende Strafverfolgung ist nicht hinnehmbar.“ Seine Kollegin und er verstehen ihre Arbeit daher als flankierende Maßnahme zum NetzDG.

Es habe bereits erste Verurteilungen gegeben, Geldstrafen sowie Freiheitsstrafen auf Bewährung, berichtet Hebbecker. Aus welchem Spektrum die Äußerungen kommen, spielt für die Ermittler keine Rolle – sie verfolgen strafrechtlich relevante Inhalte aller Art. „Fakt ist aber: Das Meiste kommt aus der rechten Ecke“, sagt der Staatsanwalt. Die Flüchtlingskrise sei im Netz noch immer ein bewegendes Thema. Inzwischen haben auch andere Bundesländer Interesse an dem nordrhein-westfälischen Projekt gezeigt – insbesondere seit dem Mord an Walter Lübcke. „Die Anfragen haben aktuell extrem zugenommen“, so Hebbecker.

Zentralstelle in Baden-Württemberg

Das baden-württembergische Justizministerium erklärt, dass bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart bereits zum 1. Juli 2011 die Zentralstelle für die Bekämpfung von Informations- und Kommunikationskriminalität eingerichtet worden sei. „Insoweit wurde der Forderung von Herrn OB Klopfer bereits vor Jahren entsprochen“, teilt ein Sprecher mit. Die Zentralstelle sei landesweit zuständig – etwa für Informationsmanagement und Fortbildungsveranstaltungen für die Staatsanwaltschaften im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. „Die Arbeit der Zentralstelle bezieht sich selbstverständlich auch auf die staatsanwaltschaftliche Verfolgung der Hasskriminalität im Internet“, betont der Sprecher. Allerdings „besteht keine ausschließliche Zuständigkeit für die Prüfung von Hasskommentaren“ – Staatsanwälte, die sich wie in NRW nur darum kümmern, gibt es also bislang nicht.

Wo man Hasspostings melden kann

Die Zentralstelle arbeitet mit dem Demokratiezentrum Baden-Württemberg zusammen, das eine Meldestelle für Hetze im Netz namens „respect!“ betreibt. Dort können Internetnutzer Hasskommentare melden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Meldestelle dabei quasi als Augenzeuge fungieren und Anzeige erstatten, sodass der Nutzer, der den Sachverhalt gemeldet hat, nicht selbst in Erscheinung treten muss. Strafrechtlich relevante Sachverhalte leitet die Meldestelle an das Landeskriminalamt weiter.

„Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, beim Verdacht einer Straftat ein Ermittlungsverfahren einzuleiten“, erklärt der Ministeriumssprecher. Hat jemand also mit einem Kommentar eine Straftat begangen, kann es zu einer Anklage oder einem Strafbefehl kommen. Wie viele solcher Fälle es bislang gab, kann das Justizministerium jedoch nicht sagen: „Entsprechende Delikte werden in der Strafverfolgungsstatistik nicht gesondert erfasst.“