Der Stuttgarter Wide Receiver Paul Steigerwald (li.) ist schneller als sein Bewacher und fängt den Ball. Foto: imago/Eibner

Stuttgart Surge unterliegt den Köln Centurions am Sonntag im Gazistadion vor 1700 Fans sang- und klanglos mit 23:39 – Cheftrainer Martin Hanselmann spart nicht mit Kritik.

Stuttgart - Die Stuttgart Surge sind ein guter Gastgeber. Cheftrainer Martin Hanselmann fragte Kirk Heidelberg, den Chefcoach der Köln Centurions, nach dem Spiel im Presseraum, was er denn zu trinken haben wolle und servierte dann freundlich die bestellte Apfelschorle. In den knapp drei Stunden zuvor hatte sich Hanselmanns Mannschaft als ebenso zuvorkommender Gastgeber präsentiert – und die Partie in der European League of Football mit 23:39 (2:19, 13:14, 6:2, 0:6) abgegeben. „Wir hatten großen Respekt vor dem Spiel vor Stuttgart“, bekannte der Kölner Heidelberg, „wir haben nicht großartig gespielt, wir haben das gespielt, was wir können, und das war ausreichend.“

Diese Worte hat Martin Hanselmann mit einigem inneren Ärger vernommen, denn der Chef der Zenturionen traf damit den Nagel auf den Kopf. Den Kölnern reichte eine engagierte, relativ fehlerfreie Leistung, um den völlig ungefährdeten Sieg aus dem Gazistadion vor rund 1700 Zuschauern zu entführen. Die Surge-Akteure standen fast von Beginn an auf verlorenem Posten, gleich der erste Angriff der Kölner führte zum Touchdown. „Unsere Verteidigung konnte die Läufe der Kölner Offense nicht bremsen, unser Angriff hatte große Probleme mit den schnellen Überraschungsangriffen der Centurions“, analysierte Hanselmann. Dabei wäre ein Erfolg für die Surge ein kleiner, wichtiger Schritt in Richtung Play-offs gewesen – beide Teams kämpfen um Platz zwei in der Gruppe hinter Tabellenführer Frankfurt Galaxy. Platz zwei genügt fürs Play-off-Halbfinale, doch da rangieren die Stuttgarter mit zwei Siegen und drei Niederlagen nun hinter Köln (drei Siege, zwei Niederlagen).

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Dass die Gäste den Sieg fast auf dem Silbertablett hatten serviert bekommen, nagte in Hanselmann als habe er seine Eintrittskarte für den Super Bowl verlegt und nicht mehr gefunden. „Wir waren nicht physisch genug, es fehlte die körperliche Dominanz“, sagte der 58-Jährige, „und es ist keine Entschuldigung mehr, dass wir eine junge Mannschaft haben.“ Die Surge-Verteidigung, die in den Partien zuvor trotz ihrer geringen Erfahrung weitgehend überzeugt hatte, bekam keinen Zugriff auf den flinken Runningback Madre London, und Wide Receiver Quinten Pounds fand fast immer einen Weg, sich der Bewachung zu entziehen und fing die Bälle in der Endzone unbedrängt und lässig wie einen Luftballon. Im Angriff wurde Surge-Quarterback Aaron Ellis schnell unter Druck gesetzt und mehrfach zu Boden gebracht („Sack“), weil die Stuttgarter Offensivlinie der Kölner Defensive nicht standhielt. Mit dem 15:33 zur Pause war die Partie so gut wie entschieden, die Centurions kontrollierten das Match nach der Pause. Einziger Lichtblick bei Stuttgart: Wide Receiver Paul Steigerwald (früher Stuttgart Silver Arrows) bewies mehrfach, dass er hervorragend Bälle fangen kann. Mehrfach fand Quarterback Ellis in ihm eine Anspielstation, der 1,98 Meter-Mann erzielte viel Raumgewinn sowie einen Touchdown drei Minuten vor dem Ende.

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Cheftrainer Martin Hanselmann monierte nicht nur die mangelhafte körperliche Präsenz seiner Spieler, sondern kritisierte auch die Einstellung von einigen Spielern. „Die ELF ist eine professionelle Liga“, sagte der Cheftrainer, „aber zu viele Spieler befinden sich noch im Vereinsmodus.“ Soll heißen: Der Cheftrainer wird die Zügel spürbar anziehen, um die Chance auf die Play-offs zu wahren. Er wird ihnen mehr als bisher abverlangen, sowohl körperlich wie auch bei der mentalen Einstellung – schließlich sind nun fünf von zehn Gruppenspieltagen absolviert. „Die Spieler müssen verinnerlichen, dass das Geschäft hier anders läuft“, sagt der Franke. Und eine Karenzzeit wird nicht eingeräumt: Bereits am kommenden Sonntag tritt die Surge bei Frankfurt Galaxy an, eine Woche darauf ist sie bei den Leipzig Kings zu Gast. Das nächste Heimspiel findet am 15. August gegen die Barcelona Dragons statt. Dann sollen sich die Stuttgarter gegen die Spanier nicht mehr als bieder-brave Gastgeber präsentieren. „Wir müssen dahin kommen, dass wir stets eine gute Leistung abliefern“, betont Martin Hanselmann.