Patrick Esume (li.) mit seinem Team von „ran Football“ Jan Stecker (Mi.) und Christoph „Icke“ Dommisch. Foto: obs/Martin Saumweber

Nächstes Jahr soll die European League of Football starten, in der auch die Stuttgart Scorpions teilnehmen. Initiator der Liga ist Patrick Esume, der als TV-Experte die Fäden bis in die NFL gezogen hat. Der 46-Jährige hat an Stuttgart beste Erinnerungen.

Stuttgart - Football erfreut sich in Deutschland seit Jahren zunehmender Beliebtheit. Nun hat der TV-Experte Patrick Esume die European League of Football (ELF) ins Leben gerufen, in der auch die Stuttgart Scorpions antreten.

Herr Esume, Sie haben ein dickes Brett gebohrt, um die ELF zu gründen.

Als ich vor drei Jahren angefangen habe, habe ich geahnt, dass es eine lange Reise wird und dass es Unwägbarkeiten geben wird. Aber dass es jetzt geklappt hat, ist ja auch eine Bestätigung, dass man zu Recht angefangen hat, den Bohrer anzusetzen.

Wo haben Sie angesetzt?

Dort, wo es jede professionalisierte Liga braucht: Das ist ein TV-Partner und eine mediale Plattform mit großer Reichweite. Dann kommen die Franchises, also die Standorte. Wenn das alles steht, kommt als allerletztes ein Investor, dem du sagen kannst, warum es sich lohnt, gemeinsam in diese Reise zu starten. Dieser wurde in der SEH Sports & Entertainment Holding gefunden.

Sie sind in „ran Football“ auf Pro 7 Maxx zu sehen, der TV-Partner dürfte also die Pro-7-Sat-1-Gruppe sein, oder?

Das ist Ihre Theorie. Ob die richtig ist, werden wir in den nächsten Wochen erfahren, wenn das Licht angeht.

Wie sehr steht und fällt diese gesamte Geschichte mit Ihrer Person?

Ich sage mal so: Ich bin derjenige, der alle Parteien zusammengebracht hat. Nun steht und fällt diese Unternehmung nicht mehr mit mir, sondern mit dem Produkt, das im Sommer 2021 auf dem Feld ist. Was bringen die Franchises mit, was machen ultimativ die Spieler und Trainer – um die geht es letztlich in einer Sportliga. Ohne die geht gar nichts. Ob diese Liga funktioniert, steht und fällt nicht mit mir.

Was hat für die Scorpions gesprochen?

Wir haben uns gefragt: Welche Städte sind interessant und haben gleichzeitig eine Footballhistorie? Natürlich hat Stuttgart eine Footballhistorie, darüber müssen wir nicht reden. Ich habe gegen die Scorpions gespielt und gecoacht, ich habe im alten Gottlieb-Daimler-Stadion den Eurobowl mit den Hamburg Blue Devils gegen Aix-en-Provence gewonnen.

Ich war 1996 als Reporter im Stadion, Patrick Esume war mir vor 24 Jahren kein Begriff.

Natürlich, ich war ja nur ein Passverteidiger, also nicht in der Offense, und bin nicht groß in Erscheinung getreten. Ich habe meinen Receiver gedeckt und war einer von 45 im Team. Ich habe Stuttgart deshalb gut in Erinnerung – Stuttgart ist eine Großstadt, da passiert wirtschaftlich viel, es hat eine Footballhistorie. Ganz klar: In Baden-Württemberg ist Stuttgart ein Ort, wo man sein muss.

Die Liga soll mit acht Teams starten, davon mit mindestens sechs aus Deutschland.

In Deutschland spielen mehr als 65 000 Menschen Football, es ist das größte europäische Footballland, ich komme aus Deutschland – klar, dass man hier beginnt. Aber wir sind nicht am Ende der Planung für Jahr Nummer eins. Kommuniziert sind sechs deutsche Teams sowie Breslau in Polen, aber wir sind noch in Gesprächen mit Franchise Nummer acht und mit anderen Standorten wie London, wo sich auch das NFL-Europe-Büro befindet. Die London Warriors sind interessiert, der britische Meister will Teil der ELF werden – ob sie es noch für nächstes Jahr schaffen, sei dahingestellt. Aber London will unbedingt dabei sein. Wir wollen allmählich den Fokus wegnehmen aus Deutschland und uns europaweit etablieren, wie die Champions League im Fußball.

Das Anwerben beginnt jetzt, die Interessenten werden genau hinschauen.

Ich muss sagen, schon nach der Pressemitteilung, dass die ELF startet, war die Resonanz überwältigend – Österreich, Schweiz, Frankreich, Spanien, England, Finnland, Russland, Dänemark. Es war alles dabei, von „lass mal hören, wie das funktioniert“ bis hin zu „wir wollen da dabei sein, wann können wir loslegen“. Ob jeder Standort sinnvoll ist, steht auf einem ganz anderen Papier.

Die ELF wird keine NFL Europe 2.0 sein.

Wir haben nicht den Anspruch, die NFL Europe zu kopieren, wo die Teams aus vollprofessionellen Amerikanern und ein paar Europäern bestanden haben. In den seltensten Fällen waren diese Europäer Lokalmatadore. Dieses Konstrukt drehen wir um und stellen die einheimischen Helden nach vorn, das ist für uns wichtig. Und weil unser CEO Zeljko Karajica, der als Geschäftsführer von Pro 7 Sat 1 aus der Materie kommt und einst die NFL als TV-Produkt nach Deutschland holte, wie ich davon überzeugt ist, dass die Fans eine andere Verbindung zur Franchise haben, wenn du Local Heroes in den Teams hast. Als Dirk Nowitzki gespielt hat, haben die Deutschen die Dallas Mavericks geschaut – aber wer hat schon die NBA-Finals eingeschaltet, als LeBron James kürzlich gespielt hat? Wenn in der Formel 1 kein Deutscher um den Titel kämpft, schalten weniger ein. Der lokale Bezug ist für die mediale Reichweite unverzichtbar.

Die deutschen Footballer sind Amateure, die muss man zu Heroes aufbauen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass unser Sport eine Menge Wachstumspotenzial hat. Mal sehen, wo wir in fünf Jahren stehen. Starten werden wir als semiprofessionelle Liga. Die Ligastruktur wird professionell arbeiten, einheitlich vermarktet und als Marke registriert.

Ist eine Kooperation mit der NFL angedacht? Jakob Johnson von den New England Patriots hat einst bei den Scorpions gespielt.

Diese Frage kann ich mit Ja beantworten. Das ist keine vertraglich festgelegte Zusammenarbeit, aber wir haben das Gespräch gesucht und es intensiviert sich langsam. Wenn die Liga erst läuft, wird sich diese Allianz vertiefen. Natürlich wollen wir eine Liga sein, in der diese Pathway-Player – davon war ja Jakob Johnson einer – zu Hause sind. Dass sie sich hier weiterentwickeln können oder dass sie, wenn die Karriere oder das Programm zu Ende ist und sie es nicht in die NFL geschafft haben, in der ELF weiterspielen. Ich denke da an Chris Ezeala, der 2018 und 2019 bei den Baltimore Ravens spielte, dann aber keinen Vertrag mehr bekam. Für den stellt sich die Frage: Gehe ich für ein paar Dollar in die College-Liga – oder komme ich zurück und spiele in einer anspruchsvollen Liga mit hoher medialer Reichweite?

Hier wäre er ein Star.

In Amerika kennt ihn keiner. In der ELF könnte er eine zweite Karriere entwickeln.

Wie bekannt sind Sie bei den Bossen der NFL?

(Lacht.) Ich sage bewusst „wir“, ich bin ja nicht allein in den Calls. Wir sprechen mit dem Head-Office in New York und dort mit Leuten, die international in der Verantwortung stehen. Wir haben da einen Kontakt, der erstklassig in die Office-Administration eingebunden ist, meine Kontakte erstrecken sich in der NFL auf die Footballebene.

Wenn Sie Commissioner der ELF sind, mussten Sie dafür zusätzliche Fähigkeiten erlernen?

Ich bin kein PR-Experte, kein Kaufmann, kein Marketingstratege. Dafür haben wir die SEH mit Zeljko Karajica an der Spitze. Ich bin nicht der Allumfassende, der alles machen muss. Ich weiß, was ich kann, aber auch, was ich nicht kann. Ich kümmere mich um den Sport und um die Expansion der Liga, weil ich über die deutschen Grenzen hinaus im Football sehr gut verdrahtet bin.