Dass Ölbestandteile in geringen Mengen aus Verpackungen auf Lebensmittel wie Reis übergehen können, ist seit Jahren bekannt.  Foto: dpa/Armin Weigel

Erst Adventskalender, dann Osterhasen und „Kinder Schokolade“ – und nun Milchpulver. In mehreren Produkten für Säuglinge sind laut der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch Rückstände potenziell krebserregender Mineralöle gefunden worden. 

Berlin - Bei drei von vier in Deutschland gekauften Milchpulver-Produkten seien Verunreinigungen mit aromatischen Kohlenwasserstoffen (MOAH) nachgewiesen worden, teilte Foodwatch am Donnerstag mit und berief sich auf unabhängige Laboranalysen. Es geht um Werte zwischen 0,5 und 3 Milligramm pro Kilo. Foodwatch fordert Null-Toleranz beim Gehalt dieser Stoffe in Lebensmitteln – einen gesetzlichen Grenzwert gibt es bisher nicht.

 

Es bestehe keine akute Gesundheitsgefahr, sagte ein Foodwatch-Sprecher auf Anfrage. Dennoch forderte die Organisation einen sofortigen Verkaufsstopp und den Rückruf der betroffenen Produkte in Deutschland und Österreich. Eltern sollten Kinder vorsorglich nicht mit betroffenen Produkten füttern, hieß es.

Nulltoleranz für Mineralölkohlenwasserstoffe

Laut Foodwatch wurden die Rückstände in „Beba Optipro Pre, 800 g, von Geburt an“ und „Beba Optipro 1, 800 g, von Geburt an“ von Nestlé nachgewiesen, außerdem in der „Novalac Säuglingsmilchnahrung Pre, 400g“. Nestlé wollte sich nach Angaben eines Sprechers noch im Laufe des Tages zu den Vorwürfen äußern. Die hinter Novalac stehende Kölner Firma Vived war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

Der Lebensmittelverband Deutschland erklärte generell, dass es eine Nulltoleranz für Mineralölkohlenwasserstoffe und ähnliche Substanzen „auch aufgrund der umweltbedingten und folglich unvermeidbaren Grundbelastung kaum geben“ könne. Aus heutiger Sicht sei dies auch gesundheitlich nicht problematisch. Die Lebensmittelwirtschaft arbeite aber kontinuierlich daran, zur Reduzierung des Eintrags beizutragen.

Wie kommt das Mineralöl in Lebensmittel?

Dass solche Ölbestandteile in geringen Mengen aus Verpackungen auf Lebensmittel wie Reis übergehen können, ist seit Jahren bekannt. Als Ursache standen bisher vor allem recycelte Kartons im Fokus: Für die Herstellung wird bedrucktes Altpapier verwendet, und die Druckfarben können Mineralöle enthalten.

Als Quelle für die Verunreinigung bei Schokolade gilt laut Foodwatch der Transport von Kakao in belasteten Jutesäcken und der Kontakt mit ölenden Maschinen. Im aktuellen Fall vermutet der Verbraucher-Informationsverein, dass Weißblechdosen, in denen manche Hersteller ihr Milchpulver anbieten, Quelle der Verunreinigungen sein könnten.

Möglicherweise krebserregend und erbgutverändernd

Minerallöle werden in der Lebensmittelindustrie als Schmiermittel für Maschinen, aber auch in Verpackungen eingesetzt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit stuft MOAH als „möglicherweise krebserregend und erbgutverändernd“ ein.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bezeichnet diese Art von Verunreinigungen generell als „unerwünscht“. Übergänge auf Lebensmittel sollten minimiert werden. „Eine gesundheitliche Bewertung ist aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht möglich“, hieß es. Bei früheren Funden von Mineralölspuren verwiesen Experten auf geringe tägliche Aufnahmemengen.

Schmierstoff für fast alles

Mineralöl ist der Schmierstoff, der die Weltwirtschaft antreibt. Kein Auto würde fahren, kein Flugzeug abheben, kein Schiff ablegen, gäbe es nicht das natürlich vorkommende Gemisch aus unzähligen verschiedenen Kohlenwasserstoffen.

Neben gesättigten Kohlenwasserstoffen MOSH (für englisch: „Mineral oil saturated hydrocarbons“) enthält es auch aromatischen Kohlenwasserstoff MOAH (für „Mineral oil aromatic hydrocarbons“). MOAH steht im Verdacht krebserregend zu sein.

Mineralöle in Kosmetika und Lebensmitteln

2015 hatte das BfR hatte geprüft, ob MOAH, der auch in Kosmetika – etwa Hautcremes, Lotionen, Körper- und Gesichtsreinigungsmitteln, Sonnenschutzmitteln, Selbstbräunern, Deodorantien, Antitranspirantien, Lippenpflegeprodukten, Make-up, Nagelpflegeprodukten und Haargelen – verarbeitet wird, eine Gesundheitsgefahr darstellt. Das damalige Ergebnis: „Nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand sind gesundheitliche Risiken für Verbraucher unwahrscheinlich.“

Mineralöle, die in der Pharmazie und Kosmetik eingesetzt werden, müssen extrem rein und verträglich, farblos, geruchs- und geschmacksfrei sein. Weil sie angeblich so ungefährlich und unschädlich sind, werden die sogenannten Weißöle auch in der Lebensmittelindustrie verwendet – wie etwa für Schokolade.

Bislang gibt es für Mineralöl-Rückstände in Nahrungsmitteln keine gesetzlichen Grenzwerte. Hersteller und Händler arbeiteten seit Jahren daran, die Stoffe aus der Lebensmittelproduktion zu verbannen, heißt es im „Spiegel“. Aldi Süd habe seine Lieferanten aufgefordert, alle Verunreinigungsquellen zu identifizieren und nur noch mineralölfreie Produktionsmittel zum Einsatz kommen zu lassen.