Anna Mehlin vom Begegnungs- und Servicezentrum der Awo (l.) und Annika Munz von Foodsharing Stuttgart essen Obst und Gemüse auch dann noch, wenn die Supermärkte es aussortiert haben. Foto: Eileen Breuer

Um noch genießbare Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten, haben Ehrenamtliche nun einen Fairteiler in Stuttgart-Dürrlewang aufgestellt. Ihnen selbst hat Foodsharing schon manche Überraschung beschert.

Dürrlewang - Die Blätter der Radieschen sind welk, ein paar Trauben etwas bräunlich, und die Äpfel fangen schon zu schrumpeln an. Im Supermarkt finden diese Lebensmittel keinen Abnehmer mehr. Zum Wegschmeißen sind sie aber zu schade, sagt Annika Munz: „Aus den Bananen kann man noch gut eine Bananenmilch machen.“ Statt in der Tonne landen Obst, Gemüse und Co. deshalb im Fairteiler in Dürrlewang. Der steht seit Kurzem am Begegnungs- und Servicezentrum der Awo. Anders als im Supermarkt muss hier niemand dafür bezahlen. Stattdessen kann man die Lebensmittel einfach in den Rucksack oder Jutebeutel stecken.

Für den Fairteiler hat sich Annika Munz aus Rohr gemeinsam mit Petra Rauss-Nebes eingesetzt. Munz ist schon seit Längerem aktiv als Botschafterin der Initiative Foodsharing Stuttgart: „Von den Lebensmitteln, die weltweit weggeschmissen werden, könnten alle Hungernden auf der Welt zweimal versorgt werden“, sagt sie.

Aussortierte Waren von Supermärkten

Deshalb holt sie regelmäßig von Supermärkten aussortierte Waren ab und füllt damit die Fairteiler. Im Regal in Dürrlewang liegen zum Beispiel Chipstütchen, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. Schlecht ist das Knabberzeug deswegen allerdings noch nicht: „Es ist ja mindestens bis zu diesem Datum haltbar“, sagt Annika Munz.

Offiziell ist sie zwar Ansprechpartnerin für den Fairteiler vor Ort, doch sie kümmert sich nicht allein darum, das Regal zu befüllen. Ehrenamtliche der Foodsharing-Initiative helfen dabei, dass die Vorräte regelmäßig aufgestockt werden. Und weil im Umgang mit Lebensmitteln immer Vorsicht geboten ist, kontrollieren die Helfer den Fairteiler täglich.

Und die Hilfsbereitschaft zieht ihre Kreise über die Initiative hinaus: Beim Bau des Fairteilers half Andreas Weller, der hierfür auf Portalen nach nicht mehr benötigten Teilen suchte. Auch beim Bau stand also die Nachhaltigkeit im Fokus. Um finanzielle Unterstützung vom Bezirksamt Vaihingen zu erhalten, stand ihnen außerdem Reinhard König aus dem Bezirksbeirat zur Seite. Und für die Sonntage haben sich Nachbarn bereit erklärt, sich um das Regal zu kümmern.

Nachhaltigkeit interessiert nicht nur Öko-Hipster

Anna Mehlin hat schon das eine oder andere Mal nach Feierabend im Fairteiler zugegriffen. „Bei Obst und Gemüse sieht man ja mit dem bloßen Auge, ob das noch gut ist“, sagt die Sozialarbeiterin. Sie arbeitet im Begegnungs- und Servicezentrum der Awo und hat die Ehrenamtlichen in ihrer Initiative, den Fairteiler aufzustellen, unterstützt. „Es wird oft so dargestellt, dass Nachhaltigkeit nur junge Öko-Hipster interessiert. Aber es ist für viele aus unterschiedlichen Beweggründen wichtig. Man kann hier Obst kostenlos mitnehmen, das noch gut ist“, sagt sie. Denn der Fairteiler verschafft nicht nur in puncto Lebensmittelverschwendung Abhilfe, sondern schont auch den schmalen Geldbeutel: „Der Wille, Lebensmittel zu retten, ist da. Aber es bedienen sich auch Leute, die sonst wegen einer kleinen Rente zur Tafel gehen würden“, sagt Mehlin.

Sie selbst hat kürzlich in der Dunkelheit in den Fairteiler gegriffen und Möhren mitgenommen. Die entpuppten sich aber im Licht der Lampe zu Hause plötzlich als Rettich. Der motivierte sie dazu, in der Küche etwas Neues auszuprobieren und Rettich-Salat zuzubereiten. Annika Munz zeigt sich begeistert darüber, dass die Nachbarschaft den Fairteiler so gut annimmt: „Jeder darf sich bedienen, und jeder darf etwas reinlegen. Es kommt nicht darauf an, dass sich jemand keine Lebensmittel leisten kann. Unser Motto lautet: verwenden statt verschwenden.“