Backwaren, Gemüse, Obst, Salat – rund 400 bis 500 Kilogramm Lebensmittel gab es am Samstag im Fleischermuseum. Foto: C. Rötlich

Die Böblinger Foodsharing-Gruppe verteilt Essen im Deutschen Fleischermuseum: Das Interesse ist riesig. Nach 20 Minuten sind die Körbe leer – und die Organisatoren begeistert.

Fünf Stunden lang wollten sie ihre Waren anbieten, im Deutschen Fleischermuseum, am Samstagnachmittag, die Mitglieder der Foodsharing-Gruppe im Landkreis Böblingen. Von 13 bis 18 Uhr planten sie die kostenfreie Ausgabe der Lebensmittel, die sie eingesammelt hatten, als Spenden von örtlichen Märkten, Discountern, Handwerksbetrieben. Es kam anders.

 

Keine fünf, nur anderthalb Stunden dauerte die Aktion: Spätestens um 14.30 Uhr schon war kaum ein Krümel übrig geblieben vom großen Angebot. „Wir dachten, entweder das wird ein großer Flopp, oder wir werden überrannt“, sagt Cornelia Rötlich, Botschafterin des Foodsharings im Kreis Böblingen. Sie wurden überrannt: „Wir haben die Leute um 13 Uhr reingelassen. 20 Minuten später waren wir zu 98 Prozent ausverkauft.“

Süße Stückchen sind begehrt

„Ausverkauft“ natürlich nur im übertragenen Sinn. Beim Foodsharing fließt kein Geld. Foodsharing als Grundidee meint das Sammeln und Verteilen von Lebensmitteln, die zwar noch verwertbar sind, im Handel aber nicht mehr angeboten werden dürfen, da beispielsweise ihr Haltbarkeitsdatum überschritten ist. Handelsketten müssten täglich große Mengen an Nahrungsmitteln aus ihrem Tagesangebot als Müll entsorgen, gäbe es das Foodsharing nicht.

Seit 2012 baute die Initiative eine weitvernetzte Internetplattform auf, die das Sammeln und Verteilen der überzähligen Lebensmittel organisiert und rechtsverbindlich absichert. Im Landkreis Böblingen gibt es, wie Cornelia Rötlich erklärt, 53 Unternehmen, die mit dem Foodsharing kooperieren.

Die Lebensmittel-Retterinnen: Cornelia Rötlich, Mirjam Krämer, Bettina Bub und Anna Krämer Foto: C. Rötlich

Heiß begehrt bei der Verteilung dann vor allem: Die süßen Stückchen. Tatsächlich verfügen die Foodsaver auch über einen Non-Food-Bereich: Ein Sindelfinger Baumarkt beliefert sie mit Tiernahrung, aber auch mit Blumen und Erde, die gerne von Kindergärten abgeholt werden.

Seit einem Jahr schon ist das Böblinger Foodsharing in jedem Monat zu Gast beim Repaircafé in den Räumen der evangelisch-methodistischen Kirche in der Friedrich-List-Straße. Zweimal im vergangenen Jahr verteilte das Foodsharing-Team auch im Deutschen Fleischermuseum, zuletzt anlässlich der langen Nacht der Museen. Gemeinsam mit Christian Baudisch, dem Leiter des Museums, überlegten sich die Lebensmittel-Retter, dort öfter, regelmäßig aufzutreten. Bedarf schien vorhanden – der große Erfolg an diesem Samstag bestätigt es.

Erst die Mutter, dann die Tochter

Künftig wird das Foodsharing an jedem dritten Samstag im Monat das Museum mit echter Nahrung füllen, im Wechsel mit dem Repaircafé, das jeweils am ersten Samstag eines Monats zum Verteiler wird. Nicht nur der Bedarf ist groß genug – auch das Angebot: „Es gibt natürlich Unternehmen, die nicht mit uns kooperieren wollen“, sagt Cornelia Rötlich. „Aber das ist kein Problem, denn es gibt dennoch sehr viele Lebensmittel, die wir abholen können.“

Organisiertes Foodsharing findet statt im Kreis Böblingen spätestens seit 2017. Cornelia Rötlich, die 2020 aufgehört hat zu arbeiten, ist dabei seit 2021. „Meine Tochter ist schon seit 2017 bei Foodsharing. Sie sagte zu mir: Wenn du nicht mehr arbeitest, kannst du ja Lebensmittel retten gehen.“ Die Mutter tat, was die Tochter sagte. Corona bremste Cornelia Rötlich noch aus, aber 2022 wurde sie zunächst Betriebsverantwortliche bei Foodsharing, kümmerte sich also um Kontakte zu einzelnen Betrieben. Ein Vierteljahr später wurde sie zu einer der drei Foodsharing-Botschafterinnen im Kreis gewählt.

Bald feiert sie ihren 66. Geburtstag. Sie arbeitet 30 bis 35 Stunden in der Woche, ehrenamtlich. „Eigentlich“, sagt sie, „ist das ein Vollzeitjob.“ Auch ihr Mann arbeitet für das Foodsharing. „Ich bin 1959 geboren“, sagt Cornelia Rötlich. „Meine Eltern waren arm. Ich habe als Kind noch Hunger erlebt. Bei uns ist niemals etwas rausgeflogen.“

Jede Person, die für Foodsharing tätig wird, muss dafür einstehen, dass die Lebensmittel, die sie verteilt, genießbar sind. Im Kreis Böblingen gibt es derzeit mehr als 1100 Foodsaver, von denen 271 ständig aktiv sind. Im vergangenen Monat haben sie, laut eigener Website, 33 863 Kilogramm Lebensmittel gerettet.

Überwältigte Organisatoren

Und am Samstag kamen Cornelia Rötlich und ihre Helferinnen mit drei privaten PKWS und knapp 50 Kisten ins Deutsche Fleischermuseum, gefüllt mit geschätzt 400 bis 500 Kilogramm Lebensmitteln: Backwaren, Gemüse, Obst, Salat. Eine halbe Kiste voller Äpfel. Dazu vier Kisten mit Kühlware zu jeweils neun Litern, Joghurt, Käse, Butter, Quark. 171 Menschen kamen als „Abholer“ ins Fleischermuseum. Bettina Bub und Miriam Krämer standen Cornelia Rötlich bei der Verteilung der Lebensmittel zur Seite.

„Es war bombastisch“, erzählen sie. „Und es war auch ganz anders, als wir erwartet hatten. Die Leute standen Schlange. Damit hatten wir nicht gerechnet.“ Es waren junge Menschen und alte, nicht ausschließlich Bedürftige. Einer stand schon seit 10 Uhr vor der Tür und hat gefroren.“