Ort des Schreckens: Ein Wachsoldat steht auf dem Gelände des geschlossenen Gefangenenlagers Camp X-Ray auf Guantánamo Bay Foto: dpa

Der Schatten, den der Senatsbericht zur Folter auf den US-Geheimdienst CIA wirft, hat die EU längst eingeholt. Kommende Woche wird darüber in Straßburg debattiert. Das Interesse an der ehrlichen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels ist eher gering.

Brüssel - Die Europäische Kommission gibt sich zurückhaltend. Der Bericht über Folterungen des US-Geheimdienstes CIA decke „wichtige Fragen zur Verletzung von Menschenrechten durch die US-Regierung“ auf, erklärte eine Sprecherin einen Tag nach dessen Veröffentlichung. Die Europäische Union verurteile generell „alle Formen der Folter und Misshandlungen“. Und noch am Mittwoch, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, beherrschten Appelle gegen Folter und für die Wahrung der Menschenwürde die Stellungnahmen in der EU-Zentrale.

Hier können Sie den Bericht herunterladen.

Doch die Empörung über die Praktiken der US-Behörden ist unehrlich: EU-Staaten waren beteiligt, einige aktiv, andere waren schweigende Mitwisser. So enthält der Senatsbericht eine Vielzahl von Hinweisen und Andeutungen, mit denen eine erhebliche Mitverantwortung europäischer Regierungen entlarvt wird. Da ist nicht nur von Zuwendungen und Schweigegeld die Rede, sondern auch von bewusster Unterstützung.

Es geht um Schilderungen wie diese, die ein Augenzeuge im Februar 2013 gegenüber Journalisten bestätigte: „Am 5. Dezember 2002 landete um 14.56 Uhr eine Maschine vom Typ Gulfstream D-IV mit der Kennung N63MU auf dem kleinen Flugplatz Szczytno-Szymany im Nordosten Polens. Die sieben Passagiere – mutmaßlich sechs US-Agenten und ein Gefangener – stiegen in Geländewagen und brausten davon. Ihr Ziel lag 22 Kilometer nördlich, links neben der Landstraße 58 in einem Wald beim Dorf Stare Kiejkuty: ein Schulungszentrum des polnischen Geheimdienstes. Es diente der CIA bis Ende 2003 als Gefängnis.“

Dass dort Verhöre unter Folter stattfanden, steht nach Auffassung des Europäischen Parlaments und des Europarats fest. Ebenso wie in Rumänien bei Contanza, im Camp Bondsteel im Kosovo und auf dem Reiterhof Antaviliai, dem sogenannten Projekt Nr. 2 in der Balten-Republik Litauen.

In der Mehrzahl der Fälle habe es an diesen Orten Verhöre und Folterungen gegeben, stellte die europäische Volksvertretung in ihrem Bericht vom 14. Februar 2007 fest. „Black Site“ hießen solche Haftmöglichkeiten außerhalb der Vereinigten Staaten im internen Jargon der CIA-Verwaltung. Von „folterähnlichen Behandlungen“ berichteten auch zahlreiche Augenzeugen, die der Schweizer Ermittler Dick Marty für einen Bericht des Europarats befragte.

Auch er fand zahllose Belege dafür, dass hinter den Gefängnismauern keineswegs humaner Strafvollzug praktiziert wurde. „Weiße Folter“ wurden Demütigungen genannt – etwa das Tragen von rosafarbener Unterwäsche, Verhöre durch eine Frau, wobei der männliche Gefangene nackt war. Zudem gab es sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungen und Reizentzug über Tage hinweg. Dabei wurden Personen mit Overall, Atemmaske, Augenbinde und Hörschutz gefesselt. Auch Schlafentzug und allerlei Torturen mit Hitze oder Kälte sowie Scheinhinrichtungen gehörten zu den Folterpraktiken.

„Mediziner dienten dabei als Beobachter und als Akteure zur Dosierung der Intensität der Misshandlungen“, bestätigte das Internationale Rote Kreuz in einem Bericht aus dem Jahr 2007. In diesem Papier werden die Vorgänge in Europa dargestellt. Insgesamt listeten diverse Organisationen von der Nato bis hin zur EU 1245 nicht gemeldete Überflüge von US-Maschinen auf, die offenbar Kurs auf von Amerikanern betriebene Gefängnisse und Folterstätten nahmen. Bei den Ermittlungen des Europarats stieß Marty auf „eine Mauer des Schweigens“, als er Regierungen in Europa befragen wollte, darunter die deutsche und die italienische. Recherchen ergaben allerdings schon damals nach Angaben eines EU-Experten „unverrückbare Hinweise“ auf eine Beteiligung staatlicher Behörden.

Dass Ermittler des Bundesnachrichtendienstes (BND) den verschleppten Deutschen Khaled al-Masri in der US-Haftanstalt Guantánamo verhörten, ist weithin bekannt. Zusammen mit dem Bundeskriminalamt (BKA) sowie dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sei der BND „auf diversen Ebenen an dem System der Geheimgefängnisse beteiligt“ gewesen, ergaben Recherchen von Politikern und Journalisten, die jetzt wieder neue Aktualität erlangt haben.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere europäische Länder Kenntnis von Verhören unter Folter hatten“, sei sehr hoch, bestätigte das Europäische Parlament bereits 2007. Wenn die Volksvertreter in der kommenden Woche nun den amerikanischen Bericht im Straßburger Plenum debattieren, könnte die eigene Beteiligung einmal mehr vergessen, wenn nicht gar geleugnet werden.