Das Alte Rathaus in Künzelsau hat es besonders schlimm erwischt. Foto: Thomas Faltin

Michael Geckle von der Sparkassen-Versicherung nimmt die Gebäudeschäden seiner Kunden auf. Allein in Künzelsau sind es 300 Fälle.

Künzelsau - Alle Augen waren in den vergangenen Tagen auf Braunsbach gerichtet, doch auch in Künzelsau hat sich eine Katastrophe ereignet. Normalität wird dort noch lange nicht einkehren. Vier Tage, nachdem der unscheinbare Künsbach in einer Flutwelle durch die Einkaufsstraße gedonnert ist und fast kein Haus verschont hat, sind noch sehr viele Geschäfte zu; der Schlamm liegt überall, kaputte Möbel stapeln sich auf der Straße, Menschen räumen auf. Michael Gäckle ist nun überaus gefragt, immer wieder wird der Mann mit der großen Aktentasche auf der Straße angesprochen – denn Gäckle geht gerade als Sachverständiger der Sparkassen-Versicherung von Haus zu Haus und begutachtet die Schäden. Alle Betroffenen haben drängende Fragen: Was genau ist versichert, was muss alles gemacht werden, und wer hilft mir jetzt wie – und vor allem wann?

Die Stimmung ist trotz des furchtbaren Chaos einigermaßen gelöst, viele flüchten sich in Galgenhumor – oder stürzen sich in Arbeit. Friedrich Gebhardt, dem ein Haus in der Hauptstraße gehört, verrät trotzdem, dass er am Morgen ein paar Herztropfen genommen hat. Die Aufregung ist groß für den älteren Herrn. Denn das vermietete Schuhgeschäft im Unter- und Erdgeschoss ist völlig verwüstet, und der Mieter drohte ihm zu allem Überfluss, ihn wegen des Verdienstausfalls zu verklagen. Zumindest kann ihn Gäckle beruhigen, die Versicherung übernehme alle Sanierungskosten, zumindest am Gebäude; für das Inventar sei die Hausratversicherung zuständig. Da lacht Gebhardt sogar und sagt: „Im Januar, als ich die Rechnung der Versicherung über 1700 Euro bekam, habe ich schon geschluckt – jetzt schlucke ich nicht mehr.“

Allein in Künzelsau und Umgebung hat allein die Sparkassen-Versicherung 300 Schadensfälle registriert. Das Vorgehen des Unternehmens sieht professionell aus – innerhalb eines Tages habe man 120 Mitarbeiter abgestellt, die die Schäden aufnähmen und bearbeiteten, erzählt Ingo Roth von der Generalagentur in Künzelsau. Er ist selbst betroffen: „Auch mein Büro ist abgesoffen, ich hatte drei Tage keinen Strom. Aber jetzt sind erst mal die anderen dran.“

Der Sachverständige bringt gleich einen Sanierer mit

Vor allem kommt Michael Gäckle nicht allein – er hat Norbert Stäub im Schlepptau, der eine Sanierungsfirma leitet. Ein Besuch dauert meist keine Viertelstunde; es geht Gäckle nicht darum, die genaue Schadenshöhe zu ermitteln, sondern er will sich einen Eindruck verschaffen und erste Maßnahmen festzurren. Gäckle, Stäub und Hausbesitzer vereinbaren, was am dringendsten ist, zum Beispiel, dass am nächsten Tag Trockner gebracht und Bohrungen im Fußboden und in den Wänden erfolgen. So will man feststellen, wie durchnässt das Gebäude ist. Meist muss auch ein Elektriker angerufen werden, der prüft, ob die Leitungen in Ordnung sind. Stäub notiert und notiert und verspricht, alles zu erledigen. „Wir sind 30 Mitarbeiter, und ich kann 100 weitere schnell requirieren. Wenn ich keine Aufträge mehr annehmen kann, schreie ich“, sagt er.

Noch hat er nicht geschrien. Aber klar ist, dass bei diesem Ausmaß an Schäden nicht alles auf einmal gemacht werden kann und dass schnell auch die übrigen Handwerker der Region ausgelastet sein werden. Es wird also trotzdem holpern in den nächsten Wochen. Dabei ist es gerade für die Ladenbesitzer in Künzelsau wichtig, schnell wieder öffnen zu können. Aber schludrige Maßnahmen sind mit Ingo Roth nicht zu machen. Selbst gegen den Willen der Eigentümer dringt er manchmal darauf, dass Rigipswände ersetzt und der Estrich rausgerissen wird, weil sonst irgendwann alles zu schimmeln beginne. Und sogar eine scheinbar nur verschmutzte Kloschüssel verspricht er auszutauschen: „Wer weiß, was in dem Schlamm alles drin war – das muss jetzt richtig gemacht werden.“

Auch in Künzelsau hatten sich nicht alle versichert

Roth war in der Unwetternacht die ganze Zeit auf den Beinen, jetzt geht er mit Gäckle von Haus zu Haus – mit vielen ist der joviale und robuste Versicherungsvertreter im kurzärmligen Hemd per Du, manche Frau nimmt er einfach in den Arm, und die Besitzerin einer Parfümerie erinnert er daran, wie er damals darauf gedrungen habe, dass sie auch den Verdienstausfall versichern soll. Du schließt das so ab oder du gehst zur Konkurrenz, habe er der Freundin gesagt. Jetzt meint diese, halb im Spaß, halb im Ernst: „Mein ganzes Leben werde ich dir dafür dankbar sein.“ Nicht alle, das ist auch in Künzelsau so, sind aber versichert – der Abschluss einer Versicherung gegen Elementarschäden ist auch in Baden-Württemberg nicht mehr Pflicht.

Schlimm hat es das Alte Rathaus erwischt, das als einziges Haus in der Hauptstraße quer zur Flutwelle gestanden hat. Der Keller war komplett vollgelaufen, die Heizung ist ein Totalschaden, der Parkettboden hat sich fast einen Meter hoch gewölbt, zudem ist in dem denkmalgeschützten Haus die Systemsteuerung für die Brunnen untergebracht. „Allein hier wird eine sechsstellige Summe fällig“, meint Michael Gäckle: „Und es wird Monate dauern, bis alles saniert sein wird.“

Vermutlich werden die Schäden im Land eine dreistellige Millionensumme erreichen; genau kann das derzeit noch niemand sagen. Eines aber dürfte schon klar sein: Angesichts der hohen Summen könnten die Prämien bald wieder steigen.