Zurzeit gibt es kein Essen in der Mensa – das belastet die Budgets armer Familien zusätzlich. Foto: dpa

Wer ohnehin schon wenig hatte, für den ist die Corona-Krise eine besondere Belastung. Soll die Stadt Stuttgart deshalb Bedürftigen einen zusätzlichen Corona-Zuschlag gewähren? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Stuttgart - Nach dem Beginn des Corona-Stillstands begann eine öffentliche Debatte über die Belastung von bedürftigen Menschen in der Krise. Die Landeshauptstadt müsse hier unterstützend tätig werden, fordert die Liga der Wohlfahrtspflege Stuttgart. Der Dachverband der hiesigen Sozialverbände schlägt vor, jedem Bonuscard-Empfänger einen freiwilligen und befristeten „Corona-Zuschlag“ von bis zu 150 Euro zu bewilligen. Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann (Grüne) äußerte sich zunächst eher zurückhaltend. Schon bald soll es im Rat aber nun eine Debatte darüber geben.

„Die Corona-Folgen für Menschen am Rande des Existenzminimums sind aktuell viel zu wenig im Blick“, heißt es in einem Schreiben der Liga an die Stadt. Der Regelsatz der finanziellen Hilfen für diese Gruppe seien ohnehin „viel zu gering bemessen gewesen“. Die Zusatzausgaben, die den Menschen durch die Pandemie entstanden seien, könnten diese „über dieses Budget nicht mehr finanzieren“.

Kein kostenloses Mittagessen in der Schule

Dann folgt eine ganze Reihe von Beispielen dafür, wie sich die Kosten für diese gesellschaftliche Gruppe erhöht hätten: So müssten die Kinder, die bisher ein kostenfreies Mittagessen an Schulen oder in Kitas bekommen haben, zuhause verköstigt werden. Der Zugang zu günstigen Lebensmitteln in den Tafelläden sei erschwert gewesen. Es seien zusätzliche Ausgaben für Hygienemaßnahmen wie Mundschutz, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel angefallen. Der Kommunikationsaufwand und etwa die Ausgaben für Druckerpapier im Zusammenhang mit dem Homeschooling seien merklich gestiegen. Und den vielen Geringverdienern seien durch die Coronakrise häufig Nebenbeschäftigungen oder durch Kurzarbeit Gehaltsbestandteile weggebrochen.

Aus diesen Gründen sollte die Landeshauptstadt „bis zum Ende der Pandemie“ jedem Haushaltsvorstand mit Bonuscard-Berechtigung eine Zuschlag von 150 Euro gewähren, für jedes weitere Haushaltsmitglied 100 Euro. Dadurch könne man einkommensschwache Haushalte in der Krise „vor massiver finanzieller Not bewahren“.

Linksbündnis und SPD wollen helfen

Das Linksbündnis hat sich die Forderung zu eigen gemacht und einen Antrag formuliert. Luigi Pantisano monierte im Sozialausschuss, dass die Verwaltung das Thema nicht auf die Tagesordnung gesetzt habe. Dabei ist man sich der beträchtlichen Kosten, die eine Umsetzung bedeuten würde, bewusst. Bei mehr als 60 000 Bonuscard-Inhabern und einem angesetzten durchschnittlichen Zuschlag von 125 Euro pro Person kämen so Aufwendungen von 7,5 Millionen Euro zusammen. Ein anderer Vorschlag seien „300 Euro für eine Familie mit Kindern“.

Die SPD hat angekündigt, in der Sache schon bald einen eigenen Antrag zu stellen. „Es wäre gut, wenn Familien einen Ausgleich für das Mittagessen bekommen würden und auch für Hygiene-Maßnahmen“, sagte Maria Hackl.

Für Sozialbürgermeisterin Sußmann ist zunächst Berlin zuständig für einen Ausgleich solcher Mehrkosten: „Es handelt sich hier um klassische Leistungen des Bundes“, lautet ihre Devise. Für sie stellt sich grundsätzlich die Frage, ob man als Kommune hier überhaupt einspringen solle und wolle. Dies gelte insbesondere angesichts der wegen der Corona-Pandemie nun sehr schwierigen Haushaltslage.

Und würde die Entscheidung positiv ausfallen, dann müsste gleichwohl die zusätzlichen Bedarfe klar beziffert werden. „Wie kommt die Liga eigentlich auf diesen Betrag?“, fragte Alexandra Sußmann in der Sitzung. So müsste geklärt werden, wer etwa eine Erstattung der Essenskosten bekommen soll. Alle Bonuscard-Empfänger oder nur die, deren Kinder das Essen bisher in Anspruch genommen haben? Das sind aber etwa bei denen, die Leistungen für Bildung und Teilhabe bekommen, nur knapp die Hälfte der Kinder.

Sozialverwaltung bisher eher zurückhaltend

Beate-Bulle Schmidt von der CDU forderte in der Frage „eine Einschätzung der Verwaltung“. In der nächsten Sitzung des Sozialausschusses soll das Thema nun auf der Tagesordnung stehen. Man sei „Vorschlägen nicht abgeneigt“, erklärte die Sozialbürgermeisterin. Eines aber machte Alexandra Sußmann schon deutlich: Die genannte Summe sei „definitiv zu hoch“.