Corona wirkt sich massiv auf die Wirtschaft aus – das merken dann mit Verzögerung auch die Gerichte. Foto: dpa/Peter Kneffel

Die Wirtschaftskrise wird zu einem Zuwachs der Fallzahlen führen, sagt der Präsident des Landessozialgerichts voraus. Er erwartet zunehmende Streitigkeiten über das Kurzarbeitergeld, das Arbeitslosengeld und die Grundsicherung.

Stuttgart - Die Pandemie wird voraussichtlich im nächsten Jahr auch bei den Sozialgerichten noch kräftige Spuren hinterlassen. Der Präsident des Landessozialgerichts, Bernd Mutschler, erwartet infolge des Wirtschaftseinbruchs eine „deutliche Vermehrung der Fälle“, wie er mit Blick auf die finanzielle Not vieler selbstständiger Gewerbetreibender und zahlreicher Familien mit Hartz-IV-Bezug am Donnerstag in Stuttgart sagte. Zu erwarten seien vor allem verstärkte Streitigkeiten über das Kurzarbeitergeld, das Arbeitslosengeld oder das Insolvenzgeld aufgrund der Firmenpleiten. Insofern wird „die Krise mit zeitlicher Verzögerung auch bei uns ankommen“, so Mutschler.

Rückzahlungen der Grundsicherungen dürften oft strittig sein

Wegen Corona hatte die Bundesregierung veranlasst, dass bei einem Neuantrag auf Leistungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis Ende September über die ersten sechs Monate auf die Prüfung von Vermögen durch die Jobcenter verzichtet werden soll – sofern erklärt wird, dass kein erhebliches Vermögen verfügbar ist. Dies ist vor allem für Solo-Selbstständige und Beschäftigte, denen das Kurzarbeitergeld nicht ausreicht, eine Erleichterung. Doch soll später überprüft werden, ob die Anträge berechtigt sind, sodass es zu Rückforderungen kommen kann.

Auch werden die Behörden noch versuchen, Strukturen aufzudecken, durch die organisiert und unberechtigt Leistungen kassiert wurden. Über viele der Fälle dürfte dann vor Gericht gestritten werden – zumal eine Klage aufschiebende Wirkung für die Rückzahlung des Geldes hat, was findige Anwälte auszunutzen versuchen, indem sie Verfahren in die Länge ziehen.

Viele Konflikte um Erwerbsminderungsrente

Wegen der guten Wirtschaftslage vor der Pandemie hatten die acht Sozialgerichte sowie das Landessozialgericht im Vorjahr „deutlich weniger“ Verfahren im Bereich der Arbeitslosenversicherung auf dem Tisch – obwohl relativ oft um Sperrzeiten gestritten wird, weil etwa ein Versicherter seinen Job von sich aus gekündigt hat. „Tendenziell weniger“ wurde da noch über die Grundsicherung für Arbeitsuchende, die 2019 bundesweit von bis zu sechs Millionen Menschen bezogen wurde, gestritten. Einen hohen Anteil von fast einem Drittel der Verfahrenseingänge betraf die Rentenversicherung, bei denen es oft gerichtliche Auseinandersetzungen um die Berechtigung und Höhe der Erwerbsminderungsrente gibt. Um Altersrenten hingegen werde, so Mutschler, „verhältnismäßig selten gestritten“.